Als Autor des vorliegenden Evangeliums wird der Apostel Barnabas genannt. Die Apostelgeschichte kennt ihn als herausragendes Mitglied der ersten Christengemeinde (Apg. 4, 36-37). Er war ein Levit aus Zypern, ,ein bewährter Mann, erfüllt mit heiligem Geist und Glauben“ (Apg. II, 22). Sein Ansehen in der christlichen Urgemeinde muß beträchtlich gewesen sein, denn durch seine Fürsprache wurde es möglich, daß Paulus dort Fuß fassen konnte. Die Apostelgeschichte berichtet: „Als er (Saulus) aber nach Jerusalem kam, versuchte er, sich den Jüngern anzuschließen; doch sie fürchteten sich alle vor ihm und glaubten nicht daran, daß er ein Jünger wäre. Barnabas aber nahm sich seiner an und führte ihn zu den Aposteln ...“ (Apg. 9, 26-27). Weiterhin heißt es dort, daß Barnabas zusammen mit Johannes Markus nach der Trennung von Paulus in Antiochien in seine Heimat Zypern zurückkehrte (Apg. 15, 36-39).
Der späteren Überlieferung zufolge starb er auf Zypern um das Jahr 56 den Märtyrertod. Sein zu Tode gesteinigter Leichnam habe jedoch den Flammen des Scheiterhaufens widerstanden und sei von Johannes Markus nach Salamis gebracht worden.(1) Dort, in der Kirche, die über seinem Grab erbaut wurde, ist auf Wandbildern dargestellt, wie es zur Wiederentdeckung des Barnabas-Evangeliums kam:
Zur Regierungszeit des Kaisers Zeno (474-91) hatte Anthemios, der zwölfte Erzbischof von Zypern, einen Traum, in welchem Barnabas ihm mitteilte, wo sein Grab zu finden sei. Als man am folgenden Tag an der besagten Stelle graben begann, stieß man auf eine Höhle, in der sich der Leichnam des Märtyrers befand, zusammen mit dem von ihm verfaßten Evangelium. Die Folgen dieser Entdeckung waren weitreichend: Der Erzbischof von Żypern machte dem Kaiser von Byzanz das Evangelium zum Geschenk und erhielt als Gegengabe kaiserliche Privilegien. So entstand die autokephale, d. h. unabhängige, zyprische Kirche, welche durch die Jahrhunderte der Fremdherrschaft hindurch einen entscheidenden Anteil an der Bewahrung der zyprischen Identität hatte.
Das Barnabas-Evangelium findet als „Evangelium unter dem Namen des Barnabas“ eine erste gesicherte Erwähnung im Decretum Gelasianum de libris recipiendis et non recipiendis (496 n.Chr.), einem Verzeichnis erlaubter und verbotener Bücher. Es wird dort den nicht-kanonischen (apokryphen) Schriften zugeordnet.
Der hier vorgelegten Übersetzung liegt eine Fassung des Barnabas-Evangeliums zugrunde, die in einem italienischen Manuskript aus dem 16. Jahrhundert überliefert ist.
Über die Umstände der Entdeckung dieses Manuskripts gibt ein Bericht Auskunft, der in dem Vorwort einer - heute nur noch als Fragment erhaltenen - spanischen Ausgabe erwähnt wird:

Wahres Evangelium Jesu, genannt Christus, eines neuen Propheten, von Gott der Welt gesandt gemäß dem Bericht des Barnabas, seines Apostels

Barnabas, Apostel des Jesus von Nazareth, genannt Christus, wünscht allen, die auf Erden weilen, Frieden und Trost.
Innig Geliebte! Der Große und Erhabene Gott hat uns in diesen vergangenen Tagen durch seinen Propheten Jesus Christus besucht, der aus großer Gnade lehrte und Wunder wirkte, weshalb viele, von Satan getäuscht, in vorgeblicher Frömmigkeit eine höchst unfromme Lehre predigen, indem sie Jesus Gottes Sohn nennen, die Beschneidung ablehnen, die Gott auf immer angeordnet hat, und alle unreine Speise erlauben; von diesen wurde auch Paulus getäuscht, wovon ich nicht ohne Kummer spreche und weshalb ich jene Wahrheit niederschreibe, die ich gesehen und gehört habe, als ich mit Jesus zusammen war, damit ihr gerettet werden könnt und nicht von Satan getäuscht werdet und im Urteil Gottes untergeht. Darum hütet euch vor jedem, der euch neue Lehre predigt dem widerstreitend, was ich schreibe, auf daß ihr für ewig gerettet werdet.
Möge der Große Gott mit euch sein und euch vor Satan und allem Übel bewahren.
Amen.

1. Kapitel

Die Verkündigung der Geburt Jesu

In diesen letzten Jahren wurde eine Jungfrau namens Maria aus dem Geschlecht Davids vom Stamme Juda von Gottes Engel Gabriel besucht. Diese Jungfrau lebte in aller Heiligkeit ohne jeden Makel frei von Schuld und hielt Geber und Fasten ein. Als sie eines Tages allein war, trat der Engel Gabriel in ihre Kammer, grüßte sie und sprach: „Gott sei mit dir, O Maria."
Die Jungfrau erschrak beim Erscheinen des Engels, aber der Engel tröstete sie und sprach: „Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden bei Gott, Der dich zur Mutter eines Propheten erwählt hat, den Er dem Volke Israel senden wird, damit es in Seinen Gesetzen wandele mit der Wahrheit des Herzens.“ Die Jungfrau antwortete: „Wie soll ich Söhne gebären, wo ich doch keinen Mann kenne?“ Der Engel antwortete: ,O Maria, Gott, Der den Menschen ohne einen Mann erschuf, kann in dir einen Menschen ohne einen Mann erzeugen, denn bei Ihm ist nichts unmöglich.“ Maria antwortete : „Ich weiß, daß Gott allmächtig ist, daher möge Sein Wille geschehen.“ Der Engel antwortete: „Nun sei in dir der Prophet empfangen, den du Jesus nennen sollst, und du sollst ihn von Wein und starken Getränken und von jeder unreinen Speise fernhalten, weil das Kind ein Heiliger Gottes ist." Maria verbeugte sich in Demut und sagte: „Siehe die Magd Gottes, es geschehe nach deinem Wort." Der Engel schied von dannen, und die Jungfrau pries Gott und sagte: „Erkenne, o meine Seele, die Größe Gottes und freue dich, mein Geist, in Gott meinem Erlöser; denn Er hat die Niedrigkeit seiner Magd geachtet, da alle Völker mich selig preisen werden, weil Er, Der mächtig ist, mich groß gemacht hat, und gesegnet sei Sein heiliger Name. Denn Seine Gnade schreitet fort von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die Ihn fürchten. Mächtig hat Er seine Hand gemacht, und Er hat die Stolzen zerschmettert nach dem Sinne Seines Herzens. Er hat die Mächtigen entthront und hat die Demütigen erhöht. Den Hungrigen hat Er mit Gutem erfüllt, und den Reichen hat Er leer ausgehen lassen. Denn auf immer gedenkt Er der Versprechen, die an Abraham und seinen Sohn ergingen."

2. Kapitel

Die Warnung des Engels Gabriel an Joseph

Als Maria den Willen Gottes erfahren hatte, fürchtete sie, daß das Volk Anstoß an ihr nehmen würde, da sie schwanger war, sie der Unzucht bezichtigen und sie steinigen würde. Da wählte sie einen Gefährten aus ihrem eigenen Stamm, einen Mann namens Joseph, von lauterem Lebenswandel; als rechtschaffener Mann fürchtete er Gott und diente Ihm mit Fasten und Beten, und er lebte von seiner Hände Arbeit, denn er war Zimmermann.
Da die Jungfrau einen solchen Mann kannte, nahm sie ihn zum Gefährten und teilte ihm den göttlichen Beschluß mit. Joseph war ein rechtschaffener Mann, und als er sah, daß Maria schwanger war, wollte er sie verstoßen, weil er Gott fürchtete. Siehe, als er schlief, wurde er gescholten vom Engel Gottes, der ihm sagte: „O Joseph, warum willst du Maria, deine Frau, verstoßen? Wisse, daß alles, was an ihr geschah, durch den Willen Gottes geschah. Die Jungfrau wird einen Sohn gebären, dem du den Namen Jesus geben sollst; diesen sollst du von Wein und starken Getränken und jeder unreinen Speise fernhalten, denn er ist ein Heiliger Gottes vom Mutterleibe an. Er ist ein Prophet Gottes, dem Volke Israel gesandt, auf daß sich Juda zu seinem Herzen bekehre und auf daß Israel im Gesetze des Herrn wandele, wie es im Gesetz Mose geschrieben steht. Er wird mit großer Macht kommen, die Gott ihm geben wird, und große Wunder wirken, wodurch vielen Rettung zuteil werden wird."
Joseph erhob sich vom Schlafe, dankte Gott und blieb sein ganzes Leben lang bei Maria, und er diente Gott in aller Aufrichtigkeit.

3. Kapitel

Die Geburt Jesu

Es regierte zu jener Zeit in Judäa Herodes auf Befehl des Kaisers Augustus, und Pilatus war Statthalter zur Zeit der Priesterschaft von Hannas und Kajaphas. Da wurde auf Geheiß des Augustus alle Welt gezählt, und ein jeder ging zu seinem Geburtsort, und sie wiesen sich durch ihren Stamm aus und wurden eingetragen. So machte auch Joseph sich auf von Nazareth, einer Stadt in Galiläa, mit Maria, seiner Frau, die schwanger war, und ging nach Bethlehem - denn dies war seine Stadt, da er aus dem Stamme Davids war-, um sich nach des Kaisers Befehl einschreiben zu lassen. Als Joseph in Bethlehem ankam, fand er keinen Platz, denn die Stadt war klein und groß die Menge derer, die dort fremd waren, so daß er außerhalb der Stadt eine Unterkunft nahm in einem Stall, der den Hirten als Schutz diente. Als Joseph dort weilte, kam die Zeit, da Maria gebären sollte. Die Jungfrau wurde von einem strahlend hellen Licht umgeben und gebar ihren Sohn ohne Schmerzen. Sie nahm ihn in ihre Arme, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in die Futterkrippe, weil in der Herberge kein Platz war. Da kam mit Freude eine große Schar Engel zu der Herberge, lobte Gott und verkündete Frieden denen, die Gott fürchten. Maria und Joseph priesen den Herrn für die Geburt Jesu und nährten ihn mit größter Freude.

4. Kapitel

Die Verkündigung und der Lobgesang der Engel

Zu jener Zeit hüteten Hirten ihre Herden, wie es ihr Brauch ist. Und siehe, sie waren von einem strahlend hellen Licht umgeben, in ihm erschien ihnen ein Engel, der lobte Gott. Die Hirten waren wegen des plötzlichen Lichtes und der Engelserscheinung von Furcht erfüllt. Da tröstete sie der Engel Gottes und sagte: „Seht, ich verkünde euch eine große Freude, denn in der Stadt Davids ist ein Kind geboren, welches ein Prophet des Herrn ist. Dieser bringt dem Hause Israel großes Heil. Das Kind werdet ihr in der Krippe finden mit seiner Mutter, die Gott lobt.“ Und als er dies gesagt hatte, kam eine große Schar Engel, die lobten Gott und verkündeten Frieden denen, die guten Willen haben.
Als die Engel gegangen waren, sprachen die Hirten miteinander und sagten: „Lasset uns nach Bethlehem gehen und das Wort sehen, das Gott uns durch Seinen Engel verkündet hat.“ Es kamen viele Hirten nach Bethlehem und suchten das neugeborene Kind, und sie fanden außerhalb der Stadt das Knäblein in der Krippe liegend, wie es der Engel gesagt hatte. Da näherten sie sich ihm in Ehrfurcht und gaben der Mutter das, was sie hatten, und berichteten ihr, was sie gesehen und gehört hatten. Maria aber behielt all dies in ihrem Herzen, ebenso Joseph, und sie dankten Gott. Die Hirten kehrten zu ihren Herden zurück und verkündeten allen, welch große Dinge sie gesehen hatten. Und so wurden alle Berge von Judäa mit Furcht erfüllt, und jeder bedachte diese Worte in seinem Herzen und sagte: „Wer mag dieses Kind wohl sein?“

5. Kapitel

Jesu Beschneidung

Als gemäß dem Gesetz des Herrn, wie es im Buch Mose geschrieben steht, die acht Tage erfüllt waren, nahmen sie das Kind und trugen es zum Tempel, um es beschneiden zu lassen. Und also beschnitten sie das Kind und gaben ihm den Namen Jesus, wie es der Engel des Herrn gesagt hatte, bevor es im Mutterleib empfangen wurde. Maria und Joseph erkannten, dass das Kind vielen zum Heil und zum Untergang gereichen würde. Und so fürchteten sie Gott und hielten das Kind in der Furcht Gottes.

6. Kapitel

Die drei Weisen

Zu der Zeit der Herrschaft des Herodes, des Königs von Judäa, als Jesus geboren wurde, beobachteten drei Weise in östlichen Ländern die Sterne am Himmel. Da erschien ihnen ein Stern von großer Helligkeit, und so kamen sie nach Judäa, wie sie es untereinander beschlossen hatten, geführt von dem Stern, der vor ihnen herging, und als sie in Jerusalem ankamen, fragten sie, wo der König der Juden geboren sei. Und als Herodes dies hörte, erschrak er, und die ganze Stadt geriet in Unruhe. Deshalb versammelte Herodes die Priester und Schriftgelehrten und sagte: „Wo soll Christus geboren werden?“ Sie antworteten: „Er soll in Bethlehem geboren werden, denn so steht es bei dem Propheten geschrieben: ,Und du, Bethlehem, bist nicht gering unter den Fürstentümern in Juda, denn aus dir wird ein Führer kommen, der mein Volk Israel führen wird.'"
Herodes rief also die Weisen zu sich und befragte sie über ihr Kommen. Sie antworteten, daß sie einen Stern im Osten gesehen hatten, der sie hergeführt hatte; deshalb wollten sie mit Geschenken diesem neuen König huldigen, der durch seinen Stern geoffenbart wurde.
Da sagte Herodes: „Geht nach Bethlehem und sucht mit aller Sorgfalt nach dem Kinde, und wenn ihr es gefunden habt, kommt und sagt es mir, denn auch ich würde gern gehen und es anbeten.“ Und er sprach dies in betrügerischer Absicht.

7. Kapitel

Die Warnung vor Herodes

Die Weißen verließen also Jerusalem, und siehe, der Stern, der ihnen im Osten erschienen war, ging vor ihnen her. Als sie den Stern sahen, waren die Weisen voller Freude. Und als sie nach Bethlehem kamen, sahen sie, daß außerhalb der Stadt der Stern stillstand, oberhalb der Herberge, wo Jesus geboren war. Also gingen die Weisen dorthin, und als sie in die Behausung eintraten, fanden sie das Kind bei seiner Mutter, und sie verbeugten sich und entboten ihm ihre Ehrerbietung. Und die Weisen brachten ihm Spezereien sowie Silber und Gold als Geschenk dar und berichteten der Jungfrau alles, was sie gesehen hatten.
Darauf wurden sie im Schlafe von dem Kinde gewarnt, nicht zu Herodes zu gehen, und indem sie einen anderen Weg nahmen, kehrten sie in ihre Heimat zurück und berichteten alles, was sie in Judäa gesehen hatten.

8. Kapitel

Die Flucht nach Ägypten

Als Herodes sah, daß die Weisen nicht zurückkehrten, glaubte er sich von ihnen hintergangen, und er befahl, den neugeborenen Knaben töten zu lassen. Doch siehe, als Joseph schlief, erschien ihm der Engel des Herrn und sagte: „Erhebe dich schnell und nimm das Kind mit seiner Mutter und geh nach Ägypten, denn Herodes will es töten.“ Joseph erhob sich in großer Furcht und nahm Maria mit dem Kind, und sie gingen nach Ägypten und blieben dort bis zum Tode des Herodes. Dieser glaubte sich von den Weisen hintergangen und schickte seine Soldaten aus, alle neugeborenen Knaben in Bethlehem zu töten. Da kamen die Soldaten und töteten alle Knaben, die dort waren, wie Herodes ihnen befohlen hatte. Wodurch die Worte des Propheten erfüllt wurden, die lauten: „Es erhebt sich Weinen und großes Wehklagen in Ramah; Rachel beweint ihre Söhne, aber Trost wird ihr nicht zuteil, da sie nicht sind."

9. Kapitel

Der zwölfjährige Jesus im Tempel

Als Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Joseph im Traum und sagte: ,Geh zurick nach Judäa, denn die sind gestorben, die den Tod des Kindes wollten." Da nahm Joseph das Kind mit Maria - es war nun sieben Jahre alt - und ging nach Judäa. Als er dort vernahm, daß Archelaus, Sohn des Herodes, in Judäa regierte, ging er nach Galiläa aus Furcht, in Judäa zu bleiben, und sie ließen sich in Nazareth nieder. Das Kind wuchs heran in Gnade und Weisheit vor Gott und den Menschen. Als Jesus zwölf Jahre alt war, ging er mit Maria und Joseph nach Jerusalem, um dort zu beten gemäß dem Gesetz des Herrn, wie es im Buch Mose geschrieben steht. Als sie ihre Gebete verrichtet hatten, reisten sie ab. Sie hatten Jesus verloren, da sie dachten, er sei mit ihren Verwandten heimgekehrt. So ging Maria mit Joseph nach Jerusalem zurück und suchte Jesus bei den Verwandten und Nachbarn. Am dritten Tag fanden sie das Kind im Tempel, umgeben von Gelehrten, mit denen es das Gesetz erörterte. Und alle waren erstaunt über seine Fragen und Antworten und sagten: ,„Wie kann er solches Wissen haben, wo er so klein ist und noch nicht lesen kann?“ Maria schalt ihn und sagte: „Sohn, was hast du uns angetan? Siehe, ich und dein Vater haben dich drei Tage in Sorge gesucht." Jesus antwortete: ,Wißt ihr nicht, daß der Dienst an Gott vor Mutter und Vater kommen soll?" Jesus ging dann mit seiner Mutter und Joseph nach Nazareth und gehorchte ihnen in Demut und Ehrerbietung.

10. Kapitel

Jesus empfängt das Evangelium

Jesus hatte das Alter von dreißig Jahren erreicht, wie er mir selbst sagte, als er mit seiner Mutter auf den Ölberg ging, um Oliven zu sammeln. Dann, am Mittag, als er im Gebet zu diesen Worten kam: ,Herr, in Gnade...“, war er von einem strahlend hellen Licht umgeben und von einer unendlich großen Schar Engel, die sprachen: „Gelobt sei Gott." Der Engel Gabriel hielt ihm ein Buch vor, einem leuchtenden Spiegel gleich, das sich in Jesu Herz senkte. Durch dieses erlangte er Wissen von dem, was Gott getan und gesagt hatte und was Gott wollte, da ihm alles geoffenbart wurde, und so sagte er zu mir: „Glaube, Barnabas, daß ich alle Propheten sowie alle Prophezeiungen kenne, so daß alles, was ich sage, aus jenem Buche heraus gekommen ist." Als Jesus diese Vision empfangen hatte und erkannte, daß er ein Prophet war, der dem Hause Israel gesandt war, erzählte er alles seiner Mutter Maria und sagte ihr, daß er große Verfolgungen um der Ehre Gottes willen erleiden müsse und daß er nicht mehr bei ihr bleiben könne, um ihr zu dienen. Als Maria dies vernahm, antwortete sie: ,Sohn, bevor du geboren warst, wurde mir alles verkündet, darum sei der heilige Name Gottes gesegnet.“ Jesus zog an jenem Tag von seiner Mutter fort, um seine prophetische Aufgabe zu erfüllen.

11. Kapitel

Heilung eines Aussätzigen in Jerusalem

Jesus stieg vom Berg herab und ging nach Jerusalem; er traf einen Aussätzigen, der aus göttlicher Eingebung heraus wußte, daß Jesus ein Prophet war. Deshalb flehte er ihn unter Tränen an und sagte: ,Jesus, Sohn des David, hab Mitleid mit mir.“ Jesus antwortete: „Was willst du, Bruder, daß ich an dir tun soll?“ Der Aussätzige antwortete: „Herr, gib mir Gesundheit." Jesus schalt ihn und sagte: Du bist töricht; bete zu Gott, der dich erschaffen hat, und er wird dir Gesundheit geben, denn ich bin ein Mensch, wie du es bist “ Der Aussätzige antwortete: „Ich weiß, daß du, Herr, ein Mensch bist, aber ein Heiliger des Herrn. Darum bete du zu Gott, und er wird mir Gesundheit geben.“ Da seufzte Jesus und sagte: „Allmächtiger Herr und Gott, um der Liebe deiner heiligen Propheten willen, gib diesem kranken Mann Gesundheit.“ Als er dies gesagt hatte, berührte er den Kranken mit seinen Händen im Namen Gottes und sagte: ,0 Bruder, empfange deine Gesundheit!“ Und als er dies gesagt hatte, war der Aussatz gereinigt, so daß das Fleisch des Aussätzigen wie das eines Kindes war. Und als der Aussätzige sah, daß er geheilt war, rief er mit lauter Stimme: „Komm, Israel, und empfange den Propheten, den Gott dir sendet." Jesus bat ihn inständig und sagte: „Bruder, schweig und sag nichts." Aber je mehr er ihn bat, um so lauter rief dieser: „Sehet den Propheten! Sehet den Heiligen Gottes!" Bei diesen Worten kamen viele zurückgelaufen, die im Begriff waren, Jerusalem zu verlassen, und kamen mit Jesus nach Jerusalem; sie erzählten davon, was Gott durch Jesus an dem Aussätzigen getan hatte.

12. Kapitel

Jesu erste Predigt

Die ganze Stadt Jerusalem war bewegt von diesen Worten, weshalb sie alle zusammen zum Tempel liefen, um Jesus zu sehen, der sich dorthin zum Gebet begeben hatte, so daß sie nur mit Mühe Platz fanden. Die Priester aber kamen zu Jesus und sagten: ,Dieses Volk will dich hören und sehen; steig also auf die höchste Stelle hinauf, und wenn Gott dir das Wort gibt, sprich im Namen des Herrn."
Da stieg Jesus auf den Platz, von dem aus die Schriftgelehrten für gewöhnlich sprachen. Und nachdem er mit der Hand das Zeichen zum Schweigen gegeben hatte, hub er an zu reden und sagte: ,Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der in Seiner Güte und Gnade beschloß, Seine Geschöpfe zu erschaffen, damit sie Ihn verherrlichen. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, der den Glanz aller Heiligen und Propheten vor allen Dingen erschuf, um ihn für die Rettung der Welt zu entsenden, wie Er durch seinen Diener David sprach, der da sagt: ,Vor Luzifer im Licht der Heiligen erschuf ich dich.' Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der die Engel erschuf, auf daß sie Ihm dienen, und gesegnet sei Gott, Der Satan und sein Gefolge bestrafte und verdammte, weil er den nicht ehren wollte, von dem Gott befahl, daß er geehrt werde. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der den Menschen aus dem Lehm der Erde erschuf und ihn über seine Werke setzte. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der den Menschen aus dem Paradies vertrieb, weil er sein heiliges Gebot verletzt hatte. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der mit Gnade auf die Tränen Adams und Evas schaute, der Ureltern des Menschengeschlechts. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der Kain, den Brudermörder, gerecht bestrafte, die Sintflut auf die Erde schickte, drei gottlose Städte niederbrannte, Der Ägypten geißelte, den Pharao im Roten Meer überwältigte, Der die Feinde seines Volkes zerstreute, die Ungläubigen zurechtwies und die Reulosen bestrafte. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der mit Gnade auf Seine Geschöpfe schaute und ihnen darum Seine heiligen Propheten schickte, damit sie in Wahrheit und Rechtschaffenheit vor Ihm wandeln mögen, Der Seine Diener vor allem Bösen bewahrte und ihnen dieses Land gab, wie Er unserem Vater Abraham und seinem Sohn auf immer versprach.
Dann gab Er uns durch Seinen Diener Moses sein heiliges Gesetz, damit Satan uns nicht täuschen möge, und Er erhöhte uns über die anderen Völker. Aber, ihr Brüder, was tun wir heute, daß wir nicht für unsere Sünden bestraft werden?"
Und dann tadelte Jesus aus tiefster Seele das Volk, da es das Wort Gottes vergessen hatte und sich nur der Eitelkeit hingab; er tadelte die Priester wegen ihres nachlässigen Gottesdienstes und wegen ihrer weltlichen Gier; er tadelte die Doktoren, weil sie eitle Lehre predigten und vom Gesetz Gottes abwichen; er tadelte die Schriftgelehrten, weil sie das Gesetz Gottes durch ihre Überlieferungen zunichte machten. Und in solcher Weise sprach Jesus zu dem Volk, daß alle weinten und um Vergebung riefen, vom Geringsten bis zum Größten, und sie baten Jesus inständig, für sie zu beten; nur ihre Priester und Führer nicht, die an jenem Tag begannen, Jesus zu hassen, da er so gegen die Priester, Schriftgelehrten und Doktoren gesprochen hatte, und sie sannen auf seinen Tod, aber sie sprachen kein Wort aus Furcht vor dem Volk, das ihn als Propheten Gottes empfangen hatte.
Jesus erhob seine Hände zu Gott dem Herrn und betete, und das Volk sagte weinend: ,So sei es, O Herr, so sei es." Als das Gebet beendet war, verließ Jesus den Tempel, und an jenem Tag zog er fort aus Jerusalem, und es folgten ihm viele. Und die Priester sprachen untereinander Böses von Jesus.

13. Kapitel

Jesu Gebet und Tröstung

Als einige Tage vergangen waren, hatte Jesus im Geist von dem Wunsch der Priester erfahren, und er stieg auf den Ölberg, um zu beten. Und als Jesus die ganze Nacht im Gebet verbracht hatte, sagte er morgens im Gebet: „O Herr, ich weiß, daß die Schriftgelehrten mich hassen und daß die Priester mich, Deinen Diener, töten wollen; daher, allmächtiger und gnädiger Gott, höre in Gnade die Gebete Deines Dieners und rette mich vor ihren Versuchungen, denn Du bist meine Rettung. Du weißt, Herr, daß ich, Dein Diener, Dich allein suche, O Herr, und Dein Wort spreche; denn Dein Wort ist Wahrheit, welche auf ewig währt."
Als Jesus diese Worte gesprochen hatte, siehe, da kam zu ihm der Engel Gabriel und sagte: „Fürchte dich nicht, O Jesus, denn tausend mal Tausend, die über dem Himmel wohnen, behüten deine Gewänder; und du wirst nicht sterben, bis alles erfüllt ist und die Welt ihrem Ende nahe sein wird."
Jesus warf sich mit dem Gesicht zu Boden und sagte: „O großer Herr und Gott, wie groß ist Deine Gnade über mir, und was soll ich Dir geben, Herr, für alles, was Du mir gewährt hast?“
Der Engel Gabriel antwortete: „Erhebe dich, Jesus, und gedenke Abrahams, der willens war, Gott seinen einzigen Sohn Ismael zu opfern, um das Wort Gottes zu erfüllen, und als das Messer nicht fähig war, den Sohn zu schneiden, bot er auf mein Wort ein Schaf zum Opfer dar. Ebenso sollst du es tun, o Jesus, Diener Gottes.“
Jesus antwortete: „Das will ich, aber wo soll ich das Lamm finden, da ich kein Geld habe und das Stehlen ungesetzlich ist?“
Darauf zeigte ihm der Engel Gabriel ein Schaf, welches Jesus zum Opfer darbrachte, und er pries und lobte Gott, Der auf immer glorreich ist.


14. Kapitel

Die Erwählung der zwölf Apostel

Jesus stieg vom Berg herab und ging allein des Nachts zur anderen Seite des Jordan und fastete vierzig Tage und vierzig Nächte lang und aß nichts, weder bei Tag noch bei Nacht. Und inständig betete er ohne Unterlaß zum Herrn um die Rettung seines Volkes, zu dem ihn Gott entsandt hatte. Und als die vierzig Tage vorüber waren, war er hungrig. Da erschien ihm Satan, und er versuchte ihn mit vielen Worten, doch Jesus vertrieb ihn durch die Kraft des Gotteswortes. Als Satan gegangen war, kamen die Engel und bedienten Jesus mit allem, dessen er bedurfte.
Nachdem Jesus in die Gegend von Jerusalem zurückgekehrt war, wurde er vom Volk in überschwenglicher Freude begrüßt, und sie baten ihn, bei ihnen zu bleiben; denn seine Worte waren nicht wie jene der Schriftgelehrten, sondern sie hatten Kraft, da sie das Herz berührten.
Jesus sah, daß die Menge derer groß war, die sich wieder ihrem Herzen zuwandten, um im Gesetz Gottes zu wandeln, und er ging auf den Berg und verbrachte die ganze Nacht im Gebet, und als der Tag kam, stieg er vom Berg herab, und er wählte zwölf aus, die er Apostel nannte, unter ihnen Judas, der am Kreuz getötet wurde. Ihre Namen sind: Andreas und sein Bruder Petrus, die Fischer; Barnabas, der dies schrieb, sowie Matthäus, der Zöllner, der in der Zollannahme saß: Johannes und Jakobus, Söhne des Zebedäus; Thaddäus und Judas; Bartholomäus und Philippus, Jakobus und Judas Ischariot, der Verräter. Diesen enthüllte er stets die göttlichen Geheimnisse, aber den Ischariot Judas machte er zu seinem Verwalter von all dem, was an Almosen gegeben wurde; der aber stahl den zehnten Teil von allem.

15. Kapitel

Die Verwandlung von Wasser in Wein

Als das Laubhüttenfest sich näherte, wurde Jesus mit seinen Jüngern und seiner Mutter von einem reichen Mann zu einer Hochzeit eingeladen. Jesus ging also, und als sie zu Tische saßen, ging ihnen der Wein aus. Seine Mutter kam zu Jesus und sagte: „Sie haben keinen Wein." Jesus antwortete: „Was habe ich damit zu tun, O Mutter?" Seine Mutter befahl den Dienern, daß sie alles befolgen sollten, was Jesus befehlen würde. Es waren dort sechs Gefäße mit Wasser gemäß dem Brauch Israels, sich zum Gebet zu reinigen. Jesus sagte: „Füllt diese Gefäße mit Wasser.“ Die Diener taten es. Jesus sagte zu ihnen: „Im Namen Gottes, gebt denen zu trinken, die zu Tische sitzen." Da brachten die Diener dem Küchenmeister davon, dieser schalt die Bediensteten und sagte: ,Ihr unwürdigen Diener, warum habt ihr den besseren Wein bis jetzt zurückgehalten?“ Denn er wußte nichts von all dem, was Jesus getan hatte. Die Diener antworteten: „O Herr, es gibt einen heiligen Mann Gottes hier, denn er hat Wein aus Wasser gemacht.“ Der Küchenmeister dachte, daß die Diener betrunken seien; aber die in der Nähe Jesu saßen und alles gesehen hatten, erhoben sich von ihren Tischen und erwiesen ihm Ehrerbietung und sagten: ,Du bist wahrlich ein Heiliger Gottes, ein wahrer Prophet, der uns von Gott gesandt wurde!"
Da glaubten seine Jünger an ihn, und viele wandten sich wieder ihrem Herzen zu und sagten: ,Gelobt sei Gott, Der Gnade mit Israel hat und das Haus Juda mit Liebe besucht, und gesegnet sei Sein heiliger Name."


16. Kapitel

Jesu Lehre vom neuen Menschen

Eines Tages versammelte Jesus seine Jünger und ging hinauf auf den Berg, und als er sich dort niedergelassen hatte, setzten sich seine Jünger zu ihm, und er hub an zu reden und lehrte sie und sprach: „Groß sind die Wohltaten, die uns Gott erwiesen hat; darum ist es nötig, daß wir Ihm in der Wahrheit des Herzens dienen. Und ebenso wie man neuen Wein in neue Gefäße füllt, so sollt ihr neue Menschen werden, wenn ihr die neue Lehre aufnehmt, die aus meinem Munde kommen wird. Wahrlich, ich sage euch, wie ein Mensch mit seinen Augen Himmel und Erde nicht gleichzeitig sehen kann, so ist es unmöglich, Gott und die Welt zu lieben.
Ein Mensch kann unmöglich zwei Herren dienen, die einander feindlich sind, denn wenn der eine dich lieben wird, wird der andere dich hassen. Ebenso sage ich euch in Wahrheit, daß ihr nicht Gott und der Welt dienen könnt, denn das Fundament der Welt ist Lüge, Gier und Bosheit. Ihr könnt daher in der Welt keine Ruhe finden, sondern nur Verfolgung und Verlust. Deshalb dient Gott und verachtet die Welt, denn bei mir werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Höret meine Worte, denn ich rede zu euch in Wahrheit.
Wahrlich, gesegnet sind die, die über dieses irdische Leben trauern, denn sie werden getröstet werden. Gesegnet sind die Armen, die wahrhaft die Freuden der Welt hassen, denn sie werden Überfluß haben an den Freuden des Königreiches Gottes. Wahrlich, gesegnet sind die, die am Tische Gottes essen, denn die Engel Gottes werden ihnen dienen.
Ihr reist als Pilger. Umgibt sich der Pilger mit Palästen und Feldern und anderen irdischen Dingen unterwegs? Gewiß nicht, sondern er führt leichte Dinge mit sich, die nach ihrer Nützlichkeit und Brauchbarkeit für die Reise beurteilt werden. Dieses soll euch nun ein Beispiel sein; und wenn ihr ein weiteres Beispiel wollt, werde ich es euch geben, damit ihr all das tut, was ich euch sage.
Macht euer Herz nicht schwer mit irdischen Wünschen, indem ihr sagt: ,Wer wird uns kleiden?' oder 'Wer wird uns zu essen geben?' Sondern sehet die Blumen und die Bäume und auch die Vögel, die Gott unser Herr kleidet und nährt mit größerer Herrlichkeit als aller Herrlichkeit Salomons. Und ebendieser Gott vermag euch zu nähren, der euch erschaffen und zu seinem Dienst gerufen hat; der vierzig Jahre lang das Manna vom Himmel fallen ließ für sein Volk Israel in der Wildnis und nicht zuließ, daß ihre Kleidung alt oder verschlissen wurde, wo sie doch sechshundertvierzigtausend Männer waren, die Frauen und Kinder nicht gerechnet. Wahrlich, ich sage euch, Himmel und Erde werden vergehen, denen aber, die ihn fürchten, wird es an seiner Gnade nicht fehlen. Aber die Reichen der Welt Hunger in ihrem Wohlstand und gehen zugrunde. Da war ein reicher Mann, dessen Einkommen zunahm, und er sagte: ,Was soll ich tun, o meine Seele? Ich werde meine Scheunen niederreißen, weil sie zu klein sind, und ich werde neue und größere bauen; daher sollst du triumphieren, meine Seele!" O unglückseliger Mann! Denn er starb in jener Nacht. Er hätte an die Armen denken sollen, und er hätte sich Freunde machen sollen mit Almosen aus den unrechtmäßigen Reichtümern dieser Welt; denn jene bringen Schätze im Königreich des Himmels.
Sagt mir, ich bitte euch, wenn ihr euer Geld in die Bank zu einem Beamten geben würdet, und er gäbe euch das Zehn- oder Zwanzigfache, würdet ihr solch einem Manne nicht alles geben, was ihr habt? Doch wahrlich, ich sage euch, alles, was ihr geben und lassen werdet um der Liebe Gottes willen, das bekommt ihr hundertfach zurück und das ewige Leben. Seht doch, wie sehr ihr euch freuen solltet, Gott zu dienen.“


17. Kapitel

Die Lehre vom wahren Gott

Als Jesus dies gesagt hatte, antwortete Philippus: ,Wir sind froh, Gott zu dienen, jedoch wünschen wir, Gott zu kennen, denn der Prophet Jesaja sagte: ,Wahrlich, du bist ein verborgener Gott', und Gott sagte zu Moses, Seinem Diener: „Ich bin der Ich bin.“ Jesus antwortete: „Philippus, Gott ist ein Gut, ohne das kein Gutes ist; Gott ist ein Wesen, ohne das nichts ist, was ist; Gott ist ein Leben, ohne das nichts ist, das lebt, so groß, daß Er alles erfüllt und überall ist. Er allein hat nicht seinesgleichen. Er hatte keinen Anfang, noch wird er je ein Ende haben, aber allem hat Er einen Anfang gegeben, und allem wird Er ein Ende geben. Er hat weder Vater noch Mutter, Er hat weder Söhne noch Geschwister, noch Gefährten. Und weil Gott keinen Körper hat, darum ißt Er nicht, schläft Er nicht, stirbt Er nicht, geht Er nicht, bewegt Er sich nicht, sondern Er bleibt auf ewig ohne menschliche Ähnlichkeit, da Er nicht körperlich und nicht zusammengesetzt ist, nicht stofflich und von einfachster Beschaffenheit. Er ist so gut, daß Er nur das Gute liebt; Er ist so gerecht, daß, wenn Er straft oder vergibt, ihm nicht widersprochen werden kann. Kurzum, ich sage dir, Philippus, daß du Ihn hier auf Erden weder vollkommen sehen noch kennen kannst; aber in Seinem Königreich wirst du Ihn für immer sehen. Hierin besteht all unsere Glückseligkeit und Herrlichkeit.“ Philippus antwortete: „Herr, was sagst du? Gewiß steht bei Jesaja geschrieben, daß Gott unser Vater ist, wieso hat Er dann keine Söhne?“
Jesus antwortete: „Es stehen bei den Propheten viele Gleichnisse geschrieben, achte also nicht auf den Buchstaben, sondern auf den Sinn. Denn alle Propheten, das sind hundertvierundvierzigtausend, die Gott in die Welt geschickt hat, haben dunkel gesprochen. Aber nach mir wird der Glanz aller Propheten und Heiligen kommen und Licht werfen auf die Dunkelheit all dessen, was die Propheten gesagt haben, weil er der Gesandte Gottes ist." Und als Jesus so gesprochen hatte, seufzte er und sagte: „Hab Gnade mit Israel, O Herr und Gott, und schau mit Mitleid auf Abraham und seine Nachkommen, damit sie Dir dienen mögen mit der Wahrheit des Herzens."
Seine Jünger antworteten: ,So sei es, O Herr unser Gott!" Jesus sagte: „Wahrlich, ich sage euch, die Schriftgelehrten und Doktoren haben das Gesetz Gottes mit ihren falschen Prophezeiungen vereitelt, im Gegensatz zu den Prophezeiungen der wahren Propheten Gottes; daher ist Gott zornig mit dem Hause Israel und mit diesem ungläubigen Geschlecht." Seine Jünger weinten bei diesen Worten und sagten: „0 Gott, hab Gnade, hab Gnade mit dem Tempel und mit der heiligen Stadt, und gib Sie nicht der Verachtung der Völker preis, damit sie nicht Deinen heiligen Bund verachten."
Jesus antwortete: ,,So sei es, Herr, Gott unserer Väter."

10. Kapitel

Jesus empfängt das Evangelium

Jesus hatte das Alter von dreißig Jahren erreicht, wie er mir selbst sagte, als er mit seiner Mutter auf den Ölberg ging, um Oliven zu sammeln. Dann, am Mittag, als er im Gebet zu diesen Worten kam: ,Herr, in Gnade...“, war er von einem strahlend hellen Licht umgeben und von einer unendlich großen Schar Engel, die sprachen: „Gelobt sei Gott." Der Engel Gabriel hielt ihm ein Buch vor, einem leuchtenden Spiegel gleich, das sich in Jesu Herz senkte. Durch dieses erlangte er Wissen von dem, was Gott getan und gesagt hatte und was Gott wollte, da ihm alles geoffenbart wurde, und so sagte er zu mir: „Glaube, Barnabas, daß ich alle Propheten sowie alle Prophezeiungen kenne, so daß alles, was ich sage, aus jenem Buche heraus gekommen ist." Als Jesus diese Vision empfangen hatte und erkannte, daß er ein Prophet war, der dem Hause Israel gesandt war, erzählte er alles seiner Mutter Maria und sagte ihr, daß er große Verfolgungen um der Ehre Gottes willen erleiden müsse und daß er nicht mehr bei ihr bleiben könne, um ihr zu dienen. Als Maria dies vernahm, antwortete sie: ,Sohn, bevor du geboren warst, wurde mir alles verkündet, darum sei der heilige Name Gottes gesegnet.“ Jesus zog an jenem Tag von seiner Mutter fort, um seine prophetische Aufgabe zu erfüllen.


11. Kapitel

Heilung eines Aussätzigen in Jerusalem

Jesus stieg vom Berg herab und ging nach Jerusalem; er traf einen Aussätzigen, der aus göttlicher Eingebung heraus wußte, daß Jesus ein Prophet war. Deshalb flehte er ihn unter Tränen an und sagte: ,Jesus, Sohn des David, hab Mitleid mit mir.“ Jesus antwortete: „Was willst du, Bruder, daß ich an dir tun soll?“ Der Aussätzige antwortete: „Herr, gib mir Gesundheit." Jesus schalt ihn und sagte: Du bist töricht; bete zu Gott, der dich erschaffen hat, und er wird dir Gesundheit geben, denn ich bin ein Mensch, wie du es bist “ Der Aussätzige antwortete: „Ich weiß, daß du, Herr, ein Mensch bist, aber ein Heiliger des Herrn. Darum bete du zu Gott, und er wird mir Gesundheit geben.“ Da seufzte Jesus und sagte: „Allmächtiger Herr und Gott, um der Liebe deiner heiligen Propheten willen, gib diesem kranken Mann Gesundheit.“ Als er dies gesagt hatte, berührte er den Kranken mit seinen Händen im Namen Gottes und sagte: ,0 Bruder, empfange deine Gesundheit!“ Und als er dies gesagt hatte, war der Aussatz gereinigt, so daß das Fleisch des Aussätzigen wie das eines Kindes war. Und als der Aussätzige sah, daß er geheilt war, rief er mit lauter Stimme: „Komm, Israel, und empfange den Propheten, den Gott dir sendet." Jesus bat ihn inständig und sagte: „Bruder, schweig und sag nichts." Aber je mehr er ihn bat, um so lauter rief dieser: „Sehet den Propheten! Sehet den Heiligen Gottes!" Bei diesen Worten kamen viele zurückgelaufen, die im Begriff waren, Jerusalem zu verlassen, und kamen mit Jesus nach Jerusalem; sie erzählten davon, was Gott durch Jesus an dem Aussätzigen getan hatte.


12. Kapitel

Jesu erste Predigt

Die ganze Stadt Jerusalem war bewegt von diesen Worten, weshalb sie alle zusammen zum Tempel liefen, um Jesus zu sehen, der sich dorthin zum Gebet begeben hatte, so daß sie nur mit Mühe Platz fanden. Die Priester aber kamen zu Jesus und sagten: ,Dieses Volk will dich hören und sehen; steig also auf die höchste Stelle hinauf, und wenn Gott dir das Wort gibt, sprich im Namen des Herrn."
Da stieg Jesus auf den Platz, von dem aus die Schriftgelehrten für gewöhnlich sprachen. Und nachdem er mit der Hand das Zeichen zum Schweigen gegeben hatte, hub er an zu reden und sagte: ,Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der in Seiner Güte und Gnade beschloß, Seine Geschöpfe zu erschaffen, damit sie Ihn verherrlichen. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, der den Glanz aller Heiligen und Propheten vor allen Dingen erschuf, um ihn für die Rettung der Welt zu entsenden, wie Er durch seinen Diener David sprach, der da sagt: ,Vor Luzifer im Licht der Heiligen erschuf ich dich.' Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der die Engel erschuf, auf daß sie Ihm dienen, und gesegnet sei Gott, Der Satan und sein Gefolge bestrafte und verdammte, weil er den nicht ehren wollte, von dem Gott befahl, daß er geehrt werde. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der den Menschen aus dem Lehm der Erde erschuf und ihn über seine Werke setzte. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der den Menschen aus dem Paradies vertrieb, weil er sein heiliges Gebot verletzt hatte. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der mit Gnade auf die Tränen Adams und Evas schaute, der Ureltern des Menschengeschlechts. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der Kain, den Brudermörder, gerecht bestrafte, die Sintflut auf die Erde schickte, drei gottlose Städte niederbrannte, Der Ägypten geißelte, den Pharao im Roten Meer überwältigte, Der die Feinde seines Volkes zerstreute, die Ungläubigen zurechtwies und die Reulosen bestrafte. Gesegnet sei der heilige Name Gottes, Der mit Gnade auf Seine Geschöpfe schaute und ihnen darum Seine heiligen Propheten schickte, damit sie in Wahrheit und Rechtschaffenheit vor Ihm wandeln mögen, Der Seine Diener vor allem Bösen bewahrte und ihnen dieses Land gab, wie Er unserem Vater Abraham und seinem Sohn auf immer versprach.
Dann gab Er uns durch Seinen Diener Moses sein heiliges Gesetz, damit Satan uns nicht täuschen möge, und Er erhöhte uns über die anderen Völker. Aber, ihr Brüder, was tun wir heute, daß wir nicht für unsere Sünden bestraft werden?"
Und dann tadelte Jesus aus tiefster Seele das Volk, da es das Wort Gottes vergessen hatte und sich nur der Eitelkeit hingab; er tadelte die Priester wegen ihres nachlässigen Gottesdienstes und wegen ihrer weltlichen Gier; er tadelte die Doktoren, weil sie eitle Lehre predigten und vom Gesetz Gottes abwichen; er tadelte die Schriftgelehrten, weil sie das Gesetz Gottes durch ihre Überlieferungen zunichte machten. Und in solcher Weise sprach Jesus zu dem Volk, daß alle weinten und um Vergebung riefen, vom Geringsten bis zum Größten, und sie baten Jesus inständig, für sie zu beten; nur ihre Priester und Führer nicht, die an jenem Tag begannen, Jesus zu hassen, da er so gegen die Priester, Schriftgelehrten und Doktoren gesprochen hatte, und sie sannen auf seinen Tod, aber sie sprachen kein Wort aus Furcht vor dem Volk, das ihn als Propheten Gottes empfangen hatte.
Jesus erhob seine Hände zu Gott dem Herrn und betete, und das Volk sagte weinend: ,So sei es, O Herr, so sei es." Als das Gebet beendet war, verließ Jesus den Tempel, und an jenem Tag zog er fort aus Jerusalem, und es folgten ihm viele. Und die Priester sprachen untereinander Böses von Jesus.


13. Kapitel

Jesu Gebet und Tröstung

Als einige Tage vergangen waren, hatte Jesus im Geist von dem Wunsch der Priester erfahren, und er stieg auf den Ölberg, um zu beten. Und als Jesus die ganze Nacht im Gebet verbracht hatte, sagte er morgens im Gebet: „O Herr, ich weiß, daß die Schriftgelehrten mich hassen und daß die Priester mich, Deinen Diener, töten wollen; daher, allmächtiger und gnädiger Gott, höre in Gnade die Gebete Deines Dieners und rette mich vor ihren Versuchungen, denn Du bist meine Rettung. Du weißt, Herr, daß ich, Dein Diener, Dich allein suche, O Herr, und Dein Wort spreche; denn Dein Wort ist Wahrheit, welche auf ewig währt."
Als Jesus diese Worte gesprochen hatte, siehe, da kam zu ihm der Engel Gabriel und sagte: „Fürchte dich nicht, O Jesus, denn tausend mal Tausend, die über dem Himmel wohnen, behüten deine Gewänder; und du wirst nicht sterben, bis alles erfüllt ist und die Welt ihrem Ende nahe sein wird."
Jesus warf sich mit dem Gesicht zu Boden und sagte: „O großer Herr und Gott, wie groß ist Deine Gnade über mir, und was soll ich Dir geben, Herr, für alles, was Du mir gewährt hast?“
Der Engel Gabriel antwortete: „Erhebe dich, Jesus, und gedenke Abrahams, der willens war, Gott seinen einzigen Sohn Ismael zu opfern, um das Wort Gottes zu erfüllen, und als das Messer nicht fähig war, den Sohn zu schneiden, bot er auf mein Wort ein Schaf zum Opfer dar. Ebenso sollst du es tun, o Jesus, Diener Gottes.“
Jesus antwortete: „Das will ich, aber wo soll ich das Lamm finden, da ich kein Geld habe und das Stehlen ungesetzlich ist?“
Darauf zeigte ihm der Engel Gabriel ein Schaf, welches Jesus zum Opfer darbrachte, und er pries und lobte Gott, Der auf immer glorreich ist.


14. Kapitel

Die Erwählung der zwölf Apostel

Jesus stieg vom Berg herab und ging allein des Nachts zur anderen Seite des Jordan und fastete vierzig Tage und vierzig Nächte lang und aß nichts, weder bei Tag noch bei Nacht. Und inständig betete er ohne Unterlaß zum Herrn um die Rettung seines Volkes, zu dem ihn Gott entsandt hatte. Und als die vierzig Tage vorüber waren, war er hungrig. Da erschien ihm Satan, und er versuchte ihn mit vielen Worten, doch Jesus vertrieb ihn durch die Kraft des Gotteswortes. Als Satan gegangen war, kamen die Engel und bedienten Jesus mit allem, dessen er bedurfte.
Nachdem Jesus in die Gegend von Jerusalem zurückgekehrt war, wurde er vom Volk in überschwenglicher Freude begrüßt, und sie baten ihn, bei ihnen zu bleiben; denn seine Worte waren nicht wie jene der Schriftgelehrten, sondern sie hatten Kraft, da sie das Herz berührten.
Jesus sah, daß die Menge derer groß war, die sich wieder ihrem Herzen zuwandten, um im Gesetz Gottes zu wandeln, und er ging auf den Berg und verbrachte die ganze Nacht im Gebet, und als der Tag kam, stieg er vom Berg herab, und er wählte zwölf aus, die er Apostel nannte, unter ihnen Judas, der am Kreuz getötet wurde. Ihre Namen sind: Andreas und sein Bruder Petrus, die Fischer; Barnabas, der dies schrieb, sowie Matthäus, der Zöllner, der in der Zollannahme saß: Johannes und Jakobus, Söhne des Zebedäus; Thaddäus und Judas; Bartholomäus und Philippus, Jakobus und Judas Ischariot, der Verräter. Diesen enthüllte er stets die göttlichen Geheimnisse, aber den Ischariot Judas machte er zu seinem Verwalter von all dem, was an Almosen gegeben wurde; der aber stahl den zehnten Teil von allem.


15. Kapitel

Die Verwandlung von Wasser in Wein

Als das Laubhüttenfest sich näherte, wurde Jesus mit seinen Jüngern und seiner Mutter von einem reichen Mann zu einer Hochzeit eingeladen. Jesus ging also, und als sie zu Tische saßen, ging ihnen der Wein aus. Seine Mutter kam zu Jesus und sagte: „Sie haben keinen Wein." Jesus antwortete: „Was habe ich damit zu tun, O Mutter?" Seine Mutter befahl den Dienern, daß sie alles befolgen sollten, was Jesus befehlen würde. Es waren dort sechs Gefäße mit Wasser gemäß dem Brauch Israels, sich zum Gebet zu reinigen. Jesus sagte: „Füllt diese Gefäße mit Wasser.“ Die Diener taten es. Jesus sagte zu ihnen: „Im Namen Gottes, gebt denen zu trinken, die zu Tische sitzen." Da brachten die Diener dem Küchenmeister davon, dieser schalt die Bediensteten und sagte: ,Ihr unwürdigen Diener, warum habt ihr den besseren Wein bis jetzt zurückgehalten?“ Denn er wußte nichts von all dem, was Jesus getan hatte. Die Diener antworteten: „O Herr, es gibt einen heiligen Mann Gottes hier, denn er hat Wein aus Wasser gemacht.“ Der Küchenmeister dachte, daß die Diener betrunken seien; aber die in der Nähe Jesu saßen und alles gesehen hatten, erhoben sich von ihren Tischen und erwiesen ihm Ehrerbietung und sagten: ,Du bist wahrlich ein Heiliger Gottes, ein wahrer Prophet, der uns von Gott gesandt wurde!"
Da glaubten seine Jünger an ihn, und viele wandten sich wieder ihrem Herzen zu und sagten: ,Gelobt sei Gott, Der Gnade mit Israel hat und das Haus Juda mit Liebe besucht, und gesegnet sei Sein heiliger Name."


16. Kapitel

Jesu Lehre vom neuen Menschen

Eines Tages versammelte Jesus seine Jünger und ging hinauf auf den Berg, und als er sich dort niedergelassen hatte, setzten sich seine Jünger zu ihm, und er hub an zu reden und lehrte sie und sprach: „Groß sind die Wohltaten, die uns Gott erwiesen hat; darum ist es nötig, daß wir Ihm in der Wahrheit des Herzens dienen. Und ebenso wie man neuen Wein in neue Gefäße füllt, so sollt ihr neue Menschen werden, wenn ihr die neue Lehre aufnehmt, die aus meinem Munde kommen wird. Wahrlich, ich sage euch, wie ein Mensch mit seinen Augen Himmel und Erde nicht gleichzeitig sehen kann, so ist es unmöglich, Gott und die Welt zu lieben.
Ein Mensch kann unmöglich zwei Herren dienen, die einander feindlich sind, denn wenn der eine dich lieben wird, wird der andere dich hassen. Ebenso sage ich euch in Wahrheit, daß ihr nicht Gott und der Welt dienen könnt, denn das Fundament der Welt ist Lüge, Gier und Bosheit. Ihr könnt daher in der Welt keine Ruhe finden, sondern nur Verfolgung und Verlust. Deshalb dient Gott und verachtet die Welt, denn bei mir werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Höret meine Worte, denn ich rede zu euch in Wahrheit.
Wahrlich, gesegnet sind die, die über dieses irdische Leben trauern, denn sie werden getröstet werden. Gesegnet sind die Armen, die wahrhaft die Freuden der Welt hassen, denn sie werden Überfluß haben an den Freuden des Königreiches Gottes. Wahrlich, gesegnet sind die, die am Tische Gottes essen, denn die Engel Gottes werden ihnen dienen.
Ihr reist als Pilger. Umgibt sich der Pilger mit Palästen und Feldern und anderen irdischen Dingen unterwegs? Gewiß nicht, sondern er führt leichte Dinge mit sich, die nach ihrer Nützlichkeit und Brauchbarkeit für die Reise beurteilt werden. Dieses soll euch nun ein Beispiel sein; und wenn ihr ein weiteres Beispiel wollt, werde ich es euch geben, damit ihr all das tut, was ich euch sage.
Macht euer Herz nicht schwer mit irdischen Wünschen, indem ihr sagt: ,Wer wird uns kleiden?' oder 'Wer wird uns zu essen geben?' Sondern sehet die Blumen und die Bäume und auch die Vögel, die Gott unser Herr kleidet und nährt mit größerer Herrlichkeit als aller Herrlichkeit Salomons. Und ebendieser Gott vermag euch zu nähren, der euch erschaffen und zu seinem Dienst gerufen hat; der vierzig Jahre lang das Manna vom Himmel fallen ließ für sein Volk Israel in der Wildnis und nicht zuließ, daß ihre Kleidung alt oder verschlissen wurde, wo sie doch sechshundertvierzigtausend Männer waren, die Frauen und Kinder nicht gerechnet. Wahrlich, ich sage euch, Himmel und Erde werden vergehen, denen aber, die ihn fürchten, wird es an seiner Gnade nicht fehlen. Aber die Reichen der Welt Hunger in ihrem Wohlstand und gehen zugrunde. Da war ein reicher Mann, dessen Einkommen zunahm, und er sagte: ,Was soll ich tun, o meine Seele? Ich werde meine Scheunen niederreißen, weil sie zu klein sind, und ich werde neue und größere bauen; daher sollst du triumphieren, meine Seele!" O unglückseliger Mann! Denn er starb in jener Nacht. Er hätte an die Armen denken sollen, und er hätte sich Freunde machen sollen mit Almosen aus den unrechtmäßigen Reichtümern dieser Welt; denn jene bringen Schätze im Königreich des Himmels.
Sagt mir, ich bitte euch, wenn ihr euer Geld in die Bank zu einem Beamten geben würdet, und er gäbe euch das Zehn- oder Zwanzigfache, würdet ihr solch einem Manne nicht alles geben, was ihr habt? Doch wahrlich, ich sage euch, alles, was ihr geben und lassen werdet um der Liebe Gottes willen, das bekommt ihr hundertfach zurück und das ewige Leben. Seht doch, wie sehr ihr euch freuen solltet, Gott zu dienen.“


18. Kapitel

Gottes Schutz über seinen Dienern

Als Jesus dies gesagt hatte, sprach er: „Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt, daß ihr meine Jünger seid. Wenn euch die Welt hassen wird, werdet ihr wahrhaft meine Jünger sein, denn die Welt war immer ein Feind der Diener Gottes. Gedenkt der heiligen Propheten, die von der Welt getötet wurden, ebenso wie zur Zeit des Elias zehntausend Propheten von Isebel getötet wurden, so daß es dem armen Elias kaum gelang zu entrinnen, und auch der siebentausend Söhne der Propheten, die von dem Hauptmann von Ahabs Heer versteckt wurden. O ungerechte Welt, die du Gott nicht kennst! Fürchtet euch also nicht, denn die Haare auf eurem Haupt sind gezählt, so daß sie nicht vergehen werden. Sehet die Spatzen und andere Vögel, denen nicht eine Feder ausfällt ohne den Willen Gottes. Soll Gott denn mehr Sorge um die Vögel tragen denn um den Menschen, um dessentwillen er alles geschaffen hat? Gibt es denn vielleicht einen Menschen, der sich mehr um seine Schuhe sorgt als um seinen eigenen Sohn? Gewiß nicht. Um wieviel weniger solltet ihr glauben, daß Gott euch verläßt, während Er sich um die Vögel kümmert! Und warum rede ich von den Vögeln? Ein Blatt fällt nicht vom Baum ohne den Willen Gottes.
Glaubet mir, denn ich sage euch die Wahrheit, daß die Welt euch sehr fürchten wird, wenn ihr meinen Worten gehorcht. Denn wenn sie nicht fürchtete, daß ihre Bosheit offenbar werde, würde sie euch nicht hassen, aber sie fürchtet die Entdeckung, darum wird sie euch hassen und verfolgen.
Wenn euer Wort von der Welt verachtet wird, nehmt es euch nicht zu Herzen, sondern bedenkt, um wie vieles größer als ihr Gott ist, Den die Welt in solcher Weise verachtet, daß sie Seine Weisheit Torheit nennt. Wenn Gott die Welt in Geduld erträgt, warum wollt ihr traurig sein, O Staub und Lehm der Erde? In eurer Geduld werdet ihr eure Seele besitzen. Wenn euch daher jemand schlägt auf eine Seite des Gesichts, haltet ihm die andere hin, damit er sie schlage. Vergeltet nicht Böses mit Bösem, denn dies tun all die schlimmsten Tiere, sondern vergeltet Böses mit Gutem, und bittet Gott für die, die euch hassen. Feuer wird nicht durch Feuer ausgelöscht, sondern vielmehr durch Wasser; ebenso sage ich euch, daß ihr Böses nicht durch Böses überwinden werdet, sondern vielmehr durch Gutes. Sehet Gott, Der die Sonne über das Gute und das Böse kommen läßt und ebenso den Regen. So sollt ihr allen Gutes tun, denn im Gesetz steht geschrieben: ,Seid heilig, denn Ich, euer Gott, bin heilig; seid rein, denn Ich bin rein; und seid vollkommen, denn Ich bin vollkommen. Wahrlich, ich sage euch, der Diener tut alles, um seinem Herrn zu gefallen, und so legt er kein Gewand an, das seinem Herrn mißfällt. Eure Gewänder sind euer Wille und eure Liebe. Hütet euch also davor, ein Ding zu wollen oder zu lieben, das Gott eurem Herrn mißfällt. Seid gewiß, daß Gott Prunk und Wollust der Welt haßt, und darum sollt ihr die Welt hassen.“


19. Kapitel

Die Heilung von zehn Aussätzigen

Als Jesus dies gesagt hatte, antwortete Petrus: ,O Meister, siehe, wir haben alles verlassen, um dir zu folgen, was soll aus uns werden?“ Jesus antwortete: „Wahrlich, am Tag des Gerichts sollt ihr neben mir sitzen und wider die zwölf Stämme Israels Zeugnis ablegen.“ Und als Jesus dies gesagt hatte, seufzte er und sprach: „O Herr, was ist dies für eine Sache? Habe ich doch zwölf ausgesucht, und einer von ihnen ist ein Teufel."
Die Jünger waren tief betrübt über dieses Wort; und der, der dies schreibt, fragte Jesus heimlich unter Tränen: ,O Herr, wird Satan mich täuschen, und werde ich dann verdammt sein?"
Jesus antwortete: ,Sei nicht traurig, Barnabas, denn die, die Gott vor der Erschaffung der Welt erwählt hat, werden nicht untergehen. Freue dich, denn dein Name steht geschrieben im Buch des Lebens."
Jesus tröstete seine Jünger und sagte: ,Fürchtet euch nicht, denn der mich hassen wird, ist über meine Rede nicht betrübt; denn in ihm ist nicht der göttliche Funke." Durch seine Worte wurden die Erwählten getröstet. Jesus verrichtete das Gebet, und seine Jünger sprachen: „Amen, so sei es, allmächtiger Herr und Gott."
Nach Beendigung seiner Andacht kam Jesus herunter vom Berg mit seinen Jüngern und traf auf zehn Aussätzige, die von weitem riefen: „Jesus, Sohn Davids, hab Mitleid mit uns!“
Jesus rief sie zu sich und fragte sie: „Was wollt ihr von mir, O Brüder?“
Sie riefen alle aus: ,Gib uns Gesundheit!“
Jesus antwortete ihnen: „O ihr, die ihr elend seid, habt ihr denn euren Verstand verloren, daß ihr sagt: ,Gib uns Gesundheit!' Seht ihr denn nicht, daß ich ein Mensch bin wie ihr? Ruft euren Gott an, Der euch erschaffen hat, und Er, allmächtig und gnädig ist, wird euch heilen.“
Unter Tränen antworteten die Aussätzigen: , Wir wissen, daß du ein Mensch bist wie wir und dennoch ein Heiliger Gottes und ein Prophet des Herrn; bitte doch du Gott, und Er wird uns heilen."
Da baten die Jünger Jesus und sagten: „Herr, hab Erbarmen mit ihnen.“ Da seufzte Jesus und betete zu Gott und sagte: „Allmächtiger und gnädiger Herr und Gott, erbarme Dich und höre die Worte Deines Dieners, und um der Liebe unseres Vaters Abraham und um deines heiligen Bundes willen, erbarme Dich der Bitte dieser Männer und gib ihnen Gesundheit.“ Als Jesus dies gesagt hatte, wandte er sich den Aussätzigen zu und sagte: „Gehet und zeiget euch den Priestern, wie es das Gesetz Gottes befiehlt.“
Die Aussätzigen machten sich auf und wurden unterwegs gereinigt. Und als einer von ihnen sah, daß er geheilt war, kehrte er zurück, um Jesus zu finden, und er war ein Ismaelit. Und als er Jesus gefunden hatte, verbeugte er sich ehrerbietig vor ihm und sagte: „Wahrlich, du bist ein Heiliger Gottes", und dankend bat er ihn, daß er ihn als Diener annähme. Jesus antwortete: „Zehn wurden gereinigt, wo sind die neun?“ Und er sagte zu dem, der gereinigt war: „Ich bin nicht gekommen, damit man mir diene, sondern um zu dienen; geh also nach Hause und berichte, was Gott an dir getan hat, damit sie erfahren, daß die Erfüllung der Versprechen, die an Abraham und seinen Sohn ergingen, sowie das Königreich Gottes näherrücken.“ Der gereinigte Aussätzige ging von dannen, und er kehrte heim und berichtete von all dem, was Gott durch Jesus an ihm vollbracht hatte.


20. Kapitel

Der Sturm auf dem See

Jesus ging zum See von Galiläa und nahm ein Schiff in Richtung Nazareth, seiner Stadt; da erhob sich ein großer Sturm auf dem See, so daß das Schiff zu kentern drohte. Und Jesus schlief auf dem vorderen Teil des Schiffs. Da kamen seine Jünger zu ihm, weckten ihn und sagten: „O Herr, rette dich, denn wir ertrinken!“ Sie waren voller Furcht wegen des starken Windes, der ungünstig war, und wegen des heftigen Seegangs. Jesus stand auf, erhob die Augen gen Himmel und sagte: „O Elohim Sabaoth, hab Erbarmen mit Deinen Dienern." Als Jesus dies gesagt hatte, legte sich plötzlich der Wind, und der See wurde ruhig. Und die Seeleute fürchteten sich und sagten: ,Und wer ist dieser, daß der See und der Wind ihm gehorchen?“
Als sie in der Stadt Nazareth ankamen, berichteten die Schiffer in der Stadt alles, was Jesus vollbracht hatte, weshalb das Haus, wo Jesus war, von so vielen Menschen umringt wurde, wie in der Stadt waren. Und die Schriftgelehrten und Doktoren kamen zu ihm und sagten: „Wir haben gehört, was du auf dem See und in Judäa alles vollbracht hast; gib uns deshalb ein Zeichen hier in deinem eigenen Land.“
Jesus antwortete: „Dieses ungläubige Geschlecht sucht ein Zeichen, aber es soll nicht gegeben werden, weil kein Prophet in seinem eigenen Lande willkommen geheißen wird. Zur Zeit des Elias gab es viele Witwen in Judäa, aber nur einer Witwe aus Sidon wurde er geschickt, damit er versorgt wurde. Zahlreich waren die Aussätzigen zur Zeit des Elischa in Judäa, dennoch wurde nur Naaman, der Syrer, gereinigt."
Da waren die Bürger erbost und packten ihn und trugen ihn auf eine steile Klippe hinauf, um ihn hinunterzustürzen. Aber Jesus ging durch ihre Mitte hindurch und wandte sich von ihnen.


21. Kapitel

Heilung eines Besessenen und einer Kanaaniterin

Jesus ging nach Kapernaum, und als er sich der Stadt näherte, siehe, da kam aus den Gräbern einer, der von einem Teufel besessen war auf eine Weise, daß keine Kette ihn halten konnte , und er tat den Menschen großen Schaden an. Die Dämonen riefen durch seinen Mund aus: ,O Heiliger Gottes, warum bist du vor der Zeit gekommen, um uns Verdruß zu bereiten?“ Und sie baten ihn, daß er sie nicht austreibe.
Jesus fragte sie, wie viele sie seien. Sie antworteten: ,Sechstausendsechshundertsechsundsechzig." Als die Jünger dies hörten, erschraken sie und baten Jesus zu gehen. Da sagte Jesus: „Wo ist euer Glaube? Es ist nötig, daß der Dämon geht und nicht ich.“ Da riefen die Dämonen : ,,Wir werden herauskommen, aber gestatte uns, in die Schweine hineinzugehen." Es waren dort in der Nähe des Sees ungefähr zehntausend Schweine auf der Weide, die den Kanaanitern gehörten. Da sagte Jesus: „Geht hinaus und in die Schweine hinein." Mit Gebrüll gingen die Dämonen in die Schweine hinein und warfen sie kopfüber in den See. Da flohen die in die Stadt, die die Schweine hüteten, und berichteten all das, was durch Jesus geschehen war. Also kamen die Männer der Stadt heraus und fanden Jesus und den Mann, der geheilt war. Die Männer waren voller Furcht und baten Jesus, aus ihrer Gegend wegzugehen. Also verließ sie Jesus und ging hinauf in die Gegend von Tyrus und Sidon.
Und siehe, da war eine Frau aus Kanaan mit ihren beiden Söhnen, die aus ihrem Heimatland gekommen waren, Jesus zu finden. Als sie ihn also mit seinen Jüngern kommen sah, rief sie aus: „Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit meiner Tochter, die vom Teufel gequält wird!" Jesus antwortete kein einziges Wort, weil sie von dem unbeschnittenen Volk waren. Die Jünger waren von Mitleid bewegt und sagten: ,O Herr, hab Mitleid mit ihnen! Sieh, wie sehr sie rufen und weinen!"
Jesus antwortete: „Ich bin nur dem Volk Israels gesandt." Da ging die Frau mit ihren Söhnen weinend vor Jesus her und sagte: ,,O Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!" Jesus antwortete: „Es ist nicht gut, das Brot aus den Händen der Kinder zu nehmen und es den Hunden zu geben." Und dies sagte Jesus wegen ihrer Unreinheit und weil sie vom unbeschnittenen Volk waren.
Die Frau antwortete: „O Herr, die Hunde essen die Krümel, die vom Tisch ihres Herrn fallen." Da wurde Jesus von Verwunderung ergriffen über die Worte der Frau und sagte: „O Frau, groß ist dein Glaube." Und er erhob die Hände zum Himmel und betete zu Gott, dann sagte er: „O Frau, deine Tochter ist befreit, geh deinen Weg in Frieden." Die Frau machte sich auf und fand bei ihrer Rückkehr die Tochter vor, wie sie Gott pries. Die Frau aber sprach: „Wahrlich, es gibt keinen anderen Gott als den Gott Israels." Und all ihre Verwandten schlossen sich zusammen unter dem Gesetz Gottes, gemäß dem Gesetz, wie es im Buch Mose geschrieben steht.


22. Kapitel

Von der Beschneidung

An jenem Tag befragten die Jünger Jesus und sagten: ,O Herr, warum hast du der Frau eine solche Antwort gegeben und gesagt, sie seien Hunde?"
Jesus antwortete: ,Wahrlich, ich sage euch, ein Hund ist besser als ein unbeschnittener Mann.“ Da waren die Jünger betrübt und sagten: „Hart sind diese Worte, und wer soll sie verstehen?“ Jesus antwortete: „Wenn ihr betrachtet, O ihr Törichten, was der Hund tut als Dienst an seinem Herrn ohne Grund, dann werdet ihr finden, daß ich die Wahrheit sage. Sagt mir, bewacht der Hund das Haus seines Herrn und setzt er sein Leben ein gegen die Räuber? Ja, gewiß. Aber was bekommt er? Viele Schläge und Beschimpfungen mit wenig Brot, und er zeigt seinem Herrn immer Freude. Ist das wahr?“
„Wahr ist es, o Herr“, antworteten die Jünger. Da sagte Jesus: „Betrachtet nun, wieviel Gott dem Menschen gegeben hat, und ihr werdet sehen, wie unrecht es von ihm ist, daß er nicht den Bund achtet, den Gott mit Seinem Diener Abraham geschlossen hat. Bedenkt, was David zu Saul, dem König von Israel, sagte gegen Goliath, den Philister: ,Mein Herr', sagte David, ,als dein Diener die Herde Deines Dieners hütete, kamen der Wolf, der Bär und der Löwe und packten die Schafe deines Dieners. Da ging Dein Diener hin und tötete sie und rettete die Schafe. Und was ist dieser Unbeschnittene anders als einer von ihnen? Darum wird Dein Diener im Namen des Gottes von Israel hingehen und diesen Unreinen töten, der das heilige Volk Gottes schmäht.“ Da sagten die Jünger: „Sag uns, O Herr, aus welchem Grund muß der Mann beschnitten werden?“
Jesus antwortete : „Laßt es euch genügen, daß Gott es dem Abraham befohlen hat, als er sagte: ,Abraham, beschneide deine Vorhaut und alle aus deinem Hause, denn dies ist ein Bund zwischen mir und dir für immer."


23. Kapitel

Der Ursprung der Beschneidung

Und als Jesus dies gesagt hatte, ließ er sich in der Nähe des Berges nieder, auf den sie schauten. Und seine Jünger setzten sich zu ihm, um seine Worte zu hören.
Da sagte Jesus: „Als Adam, der erste Mensch, durch Betrug des Satan die von Gott verbotene Frucht im Paradies gegessen hatte, lehnte sein Fleisch sich gegen den Geist auf. da fluchte er und sagte: ,Bei Gott, ich will dich schneiden! Und als er ein Stück Stein abgebrochen hatte, richtete er die scharfe Seite des Steines gegen sein eigenes Fleisch; aber der Engel Gabriel schalt ihn. Und er antwortete: ,Ich habe bei Gott geschworen, es zu schneiden, ich werde nie ein Lügner sein.' Da zeigte ihm der Engel, was an seinem Fleisch unnötig war, und das schnitt er ab. Und wie jeder Mann am Fleisch des Adam teilhat, so muß er alles befolgen, was Adam durch Eid gelobte. Dies befolgte Adam bei seinen Söhnen, und von Geschlecht zu Geschlecht wurde die Pflicht zur Beschneidung überliefert. Aber zur Zeit des Abraham gab es nur wenige Beschnittene auf der Erde, weil die Götzendienerei auf der Erde verbreitet war. Da teilte Gott dem Abraham alles mit, was die Beschneidung betraf, und schloß diesen Bund und sprach: ,Die Seele, die ihr Fleisch nicht beschneiden läßt, will ich auf immer von meinem Volk trennen!"
Die Jünger zitterten vor Furcht bei diesen Worten Jesu, denn aus der Kraft des Geistes sprach er. Da sagte Jesus: „Überlaßt das Fürchten demjenigen, der seine Vorhaut nicht beschnitten hat, denn ihm ist das Paradies genommen.“ Und als Jesus dies gesagt hatte, sprach er von neuem und sagte: „Der Geist ist bei vielen bereit zum Dienst an Gott, aber das Fleisch ist schwach. Also sollte der Mensch, der Gott fürchtet, bedenken, was das Fleisch ist und woher es seinen Ursprung hat und wohin es zurückkehren soll. Aus dem Lehm der Erde schuf Gott das Fleisch, und er hauchte ihm den Atem des Lebens ein, indem er hineinatmete. Wenn also das Fleisch beim Dienst an Gott hinderlich ist, sollte man es wie Lehm mit den Füßen treten, denn wer sein Leben in dieser Welt haßt, wird es auf ewig behalten.
Was das Fleisch gegenwärtig ist, das machen seine Wünsche deutlich, nämlich, daß es ein erbitterter Feind alles Guten ist; denn es allein begehrt die Sünde. Sollte denn der Mensch, um einen seiner Feinde zu befriedigen, davon ablassen, Gott seinem Schöpfer zu gefallen? Bedenkt dies. Alle Heiligen und Propheten waren Feinde ihres Fleisches, um Gott zu dienen; deshalb gingen sie bereitwillig und mit Freuden in den Tod, um das Gesetz Gottes nicht zu verletzen, das durch seinen Diener Moses gegeben wurde, damit sie nicht den falschen und lügnerischen Göttern dienten.
Gedenkt des Elias, der auf seiner Flucht in der Verlassenheit der Berge nur Gras aß und sich in Ziegenhaut kleidete. Ach, wie viele Tage waren es, daß er nicht aß! Ach, wieviel Kälte ertrug er! Ach, wie oft wurde er naßgeregnet, und das sieben Jahre lang, während der er die fürchterliche Verfolgung durch die unreine Isebel ertrug.
Gedenkt des Elischa, der Gerstenbrot aß und die gröbsten Gewänder trug. Wahrlich, ich sage euch, daß die, die sich nicht fürchten, das Fleisch zu verachten, gewaltig gefürchtet wurden vom König und den Fürsten. Dies sollte genügen über die Verachtung des Fleisches, O Menschen. Aber wenn ihr die Gräber betrachtet, werdet ihr wissen, was das Fleisch ist."


24. Kapitel

Lazarus und der Reiche

Als Jesus dies gesagt hatte, weinte er und sagte: „Wehe denen, die Diener ihres Fleisches sind, denn gewiß werden sie nichts Gutes im anderen Leben haben, sondern nur Strafe für ihre Sünden.
Ich sage euch: Es war ein reicher Schlemmer, dessen ganzes Augenmerk seiner Völlerei galt, und so hielt er jeden Tag ein prächtiges Gastmahl. Es stand an seiner Tür ein armer Mann namens Lazarus, der voller Wunden war und gern die Krumen haben wollte, die vom Tisch des Reichen herabfielen. Aber keiner gab sie ihm, ja alle verspotteten ihn. Nur die Hunde hatten Mitleid mit ihm, denn sie leckten ihm die Wunden. Es geschah, daß der Arme starb, und die Engel trugen ihn in die Arme Abrahams, unseres Vaters. Der Reiche starb ebenfalls, und die Teufel trugen ihn in die Arme Satans; und während er die größten Qualen erlitt, erhob er die Augen und sah von weitem den Lazarus in den Armen unseres Vaters Abraham. Da rief der Reiche: ,0 Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schicke Lazarus zu mir, damit er auf seinem Finger einen Tropfen Wasser bringe, um meine Zunge zu kühlen, die in dieser Flamme vor Qualen vergeht.'
Abraham antwortete: ,Sohn, bedenke, daß du dein Gutes in dem anderen Leben bekommen hast und Lazarus sein Schlechtes; darum sollst du nun Qualen erleiden, Lazarus aber soll getröstet werden.' Der Reiche wehklagte von neuem und sagte: ,0 Vater Abraham, in meinem Haus sind meine drei Brüder. Deshalb schick Lazarus, daß er ihnen sagt, wie sehr ich leide, damit sie bereuen und nicht hierherkommen.'
Abraham antwortete: ,Sie haben Moses und die Propheten, auf die mögen sie hören.'
Der Reiche antwortete: ,Nein, Vater Abraham, erst wenn ein Toter aufersteht, werden sie glauben.'
Abraham antwortete: ,Wer nicht an Moses und die Propheten glaubt, wird nicht glauben, selbst wenn die Toten auferstehen sollten.'
Nun seht doch, wie gesegnet die Armen sind", sagte Jesus, „die Geduld haben und nur wünschen, was nötig ist, und das Fleisch hassen. O unglücklich die, die andere zu Grabe tragen und ihr Fleisch den Würmern zum Futter geben und nicht die Wahrheit erkennen. Sie sind so fern von ihr, daß sie hier wie Unsterbliche leben; denn sie bauen große Häuser und kaufen viel Besitz und leben in Stolz."


25. Kapitel

Warnung vor Gier und Habsucht

Da sagte der, der dies schreibt: „O Herr, wahr sind deine Worte, und darum haben wir alles verlassen, um dir zu folgen. Sag uns also, wie wir das Fleisch hassen sollen; denn sich selbst zu töten ist gegen das Gesetz, und da wir leben, müssen wir es am Leben erhalten.“
Jesus antwortete: „Halte dein Fleisch wie ein Pferd, und du wirst in Sicherheit leben. Denn einem Pferd wird Futter in Maßen gegeben und Arbeit ohne Maß, und ihm werden Zügel angelegt, damit es nach deinem Willen gehe; es ist angebunden, damit es keinen ärgert; es wird an einem ärmlichen Ort gehalten und geschlagen, wenn es nicht gehorcht. Dies tu auch du, o Barnabas, und du wirst immer mit Gott leben.
Und nehmt keinen Anstoß an meinen Worten, denn der Prophet David tat das Gleiche, wenn er bekennt und sagt: „Ich bin wie ein Pferd vor dir, und ich bin immer durch dich.'
Nun sagt mir: Wer ist ärmer, der, der mit wenigem zufrieden ist, oder der, der viel begehrt? Wahrlich, ich sage euch, hätte die Welt einen gesunden Verstand, niemand würde irgend etwas für sich erwerben, sondern alles würde geteilt. Aber hierin zeigt sich ihre Torheit, daß sie um so mehr begehrt, je mehr sie erwirbt. Und alles, was sie erwirbt, erwirbt sie für das leibliche Wohl anderer.
Daher möge euch ein einziges Gewand genügen, werft eure Börse weg, tragt keine Geldtasche, keine Sandalen an den Füßen; und denkt nicht: ,Was soll mit uns geschehen?", sondern gedenket, den Willen Gottes zu tun, und Er wird für eure Bedürfnisse sorgen, so daß es euch an nichts mangeln wird.
Wahrlich, ich sage euch, daß die Anhäufung vieler Dinge in diesem Leben sicher bezeugt, daß es in dem anderen nichts zu empfangen gibt. Denn wer Jerusalem als Heimat hat, baut keine Häuser in Samaria, denn es ist Feindschaft zwischen diesen Städten. Versteht ihr?“ „Ja“, antworteten die Jünger.


26. Kapitel

Von der wahren Gottesliebe
Abraham und sein Vater

Da sagte Jesus: „Da war ein Mann auf Reisen, der, als er wanderte, einen Schatz in einem Feld entdeckte, das für fünf Geldstücke verkauft werden sollte. Als der Mann dies erfuhr, verkaufte er sofort seinen Mantel, um jenes Feld zu kaufen. Ist das zu glauben?“
Die Jünger antworteten: ,Wer dies nicht glauben mag, ist töricht.“
Darauf sagte Jesus: „Ihr seid töricht, wenn ihr nicht eure Sinne Gott gebt, um eure Seele zu kaufen, in welcher der Schatz der Liebe wohnt, denn Liebe ist ein Schatz ohnegleichen. Denn wer Gott liebt, hat Gott zu eigen; und wer Gott hat, hat alles.“
Petrus antwortete: ,O Herr, wie soll man Gott mit wahrer Liebe lieben? Sag es uns."
Jesus erwiderte: „Wahrlich, ich sage euch, daß der, der nicht seinen Vater und seine Mutter haßt und dazu sein eigenes Leben und seine Kinder und seine Frau aus Liebe zu Gott, solch einer ist es nicht wert, von Gott geliebt zu werden.“ Petrus antwortete: ,O Herr, es steht geschrieben im Gesetz Gottes im Buche Mose: ,Ehre deinen Vater, auf daß du lange lebest auf Erden', und weiterhin sagt er: ,Verflucht sei der Sohn, der nicht seinem Vater und seiner Mutter gehorcht', weshalb Gott befahl, daß solch ein ungehorsamer Sohn durch den Zorn des Volkes gesteinigt werde vor dem Stadttor. Und wieso gebietest du uns nun, Vater und Mutter zu hassen?“
Jesus erwiderte: „Jedes meiner Worte ist wahr, denn es sind nicht meine, sondern Gottes Worte, welcher mich dem Hause Israel geschickt hat. Deshalb sage ich euch, daß alles, was ihr besitzt, von Gott an euch verliehen wurde. Was ist also kostbarer, die Gabe oder der Geber? Wenn dein Vater und deine Mutter oder irgend etwas anderes dir ein Hindernis im Dienst an Gott sind, verlasse sie als Feinde. Sagte nicht Gott zu Abraham: ,Geh fort vom Hause deines Vaters und deiner Verwandten und zieh in das Land, das Ich dir und deinen Nachkommen geben werde? Und sagte Gott dies nicht, weil der Vater Abrahams ein Bildermacher war, der falsche Götter herstellte und anbetete, weshalb zwischen ihnen Feindschaft war, so daß der Vater den Sohn verbrennen wollte?"
Petrus antwortete: „Wahr sind deine Worte, darum bitte Ich dich, erzähl uns, wie Abraham seinen Vater in Verlegenheit brachte."
Jesus antwortete: ,Abraham war sieben Jahre alt, als er begann, Gott zu suchen. So sagte er eines Tages zu seinem Vater: ,Vater, was machte den Menschen?'
Der törichte Vater antwortete: ,Der Mensch, denn ich machte dich, und mein Vater machte mich.'
Abraham antwortete: ,Vater, es ist nicht so; denn ich hörte einen alten Mann weinen und sagen: »O mein Gott, warum hast du mir keine Kinder gegeben?«"
Sein Vater erwiderte: ,Es ist wahr, mein Sohn, daß Gott dem Menschen hilft, den Menschen zu erschaffen, aber Er benutzt dazu nicht seine Hände; es ist nur nötig, daß der Mensch zu seinem Gott betet und ihm Lämmer und Schafe gibt, und sein Gott wird ihm helfen.'
Abraham antwortete: ,Wie viele Götter gibt es, Vater?' Der alte Mann erwiderte: ,Ihre Zahl ist unendlich, mein Sohn.' Da sagte Abraham: 'O Vater, was soll ich tun, wenn ich einem Gott dienen werde und ein anderer mir Böses wünscht, weil ich ihm nicht diene? In jedem Fall wird Uneinigkeit zwischen sie kommen, und so wird Krieg entstehen unter den Göttern. Wenn aber der Gott, der mir Böses will, meinen eigenen Gott töten wird, was soll ich tun? Es ist sicher, daß er mich ebenso töten wird.'
Der alte Mann lachte und antwortete: ,0 Sohn, hab keine Furcht, denn kein Gott führt Krieg gegen einen anderen Gott; vielmehr gibt es im großen Tempel eintausend Götter und dazu den großen Gott Baal; und ich bin nun fast siebzig Jahre alt und habe doch nie erlebt, daß ein Gott einen anderen Gott getötet hat. Und gewiß dienen nicht alle Menschen einem Gott, sondern ein Mensch dem einen und ein anderer einem anderen.'
Abraham antwortete: ,So haben sie also Frieden untereinander?' Sagte sein Vater: ,Sie haben.'
Da fragte Abraham: ,0 Vater, wie sehen die Götter aus?' Der alte Mann antwortete: ,Du Narr, jeden Tag mache ich einen Gott, den ich anderen verkaufe, um Brot zu kaufen, und du weißt nicht, wie die Götter aussehen!' Und gerade in jenem Moment machte er ein Götzenbild. ,Dies', sagte er, ,ist aus Palmenholz, jenes ist aus Olivenholz, das kleine dort ist aus Elfenbein, sieh, wie schön es ist! Sieht es nicht aus, als wäre es am Leben? Gewiß fehlt ihm nur der Atem!' Abraham antwortete: ,Sind also, Vater, die Götter ohne Atem? Wie geben sie dann Atem? Und wenn sie ohne Leben sind, wie geben sie Leben? Es ist sicher, Vater, daß diese nicht Gott sind.'
Der alte Mann war erzürnt über diese Worte und sagte: Wenn du alt genug wärest zu verstehen, würde ich dir den Schädel mit dieser Axt einschlagen. Aber schweig still, denn du hast keinen Verstand.'
Abraham erwiderte: ,Vater, wenn die Götter helfen, den Menschen zu machen, wie kann es sein, daß der Mensch die Götter machen sollte? Und wenn die Götter aus Holz gemacht sind, ist es eine große Sünde, Holz zu verbrennen. Aber sag mir, Vater, wie ist es, wenn du so viele Götter gemacht hast, daß die Götter dir nicht geholfen haben, so viele andere Kinder zu machen, daß du der mächtigste Mann der Welt wärest?'
Der alte Mann war außer sich, als er seinen Sohn so reden hörte; der Sohn aber fuhr fort: ,Vater, war die Welt eine Zeitlang ohne Menschen?'
,Ja', antwortete der alte Mann, ,und warum?'
,Weil,' sagte Abraham, ,ich gern wüßte, wer den ersten Gott machte.'
,Nun geh aus meinem Haus!' sagte der alte Mann, ,und laß mich schnell diesen Gott machen und sag kein Wort mehr zu mir, denn wenn du hungrig bist, verlangst du Brot und nicht Worte.'
Sagte Abraham: ,Ein feiner Gott, fürwahr, daß du ihn schneidest, wie du willst, und er wehrt sich nicht!'
Da wurde der alte Mann zornig und sagte: ,Alle Welt sagt, daß er ein Gott ist, und du verrückter Kerl sagst, er sei es nicht. Bei meinen Göttern, wenn du ein Mann wärest, würde ich dich umbringen!' Und als er dies gesagt hatte, gab er Abraham Schläge und Tritte und jagte ihn aus dem Haus."


27. Kapitel

Widerstand des Abraham gegen seinen Vater

Die Jünger lachten über die Torheit des alten Mannes und waren erstaunt über die Klugheit Abrahams. Aber Jesus schalt sie und sagte: „Ihr habt die Worte des Propheten vergessen, der sagt: ,Gegenwärtiges Lachen ist ein Vorbote kommenden Weinens', und weiterhin: ,Du sollst nicht dorthin gehen, wo gelacht wird, sondern sitzen, wo sie weinen, denn dieses Leben vergeht in Elend!'“ Dann sagte Jesus: „Wißt ihr nicht, daß in der Zeit des Moses viele Menschen in Ägypten von Gott in fürchterliche Tiere verwandelt wurden, weil sie andere verlachten und verhöhnten? Hütet euch in irgendeiner Weise über jemanden zu lachen, denn ihr werdet gewiß darüber weinen."
Die Jünger antworteten: ,,Wir lachten über die Torheit des alten Mannes.“ Da sagte Jesus: „Wahrlich, ich sage euch, jeder liebt seinesgleichen und findet hieran Gefallen. Wenn ihr also nicht töricht wäret, würdet ihr nicht über die Torheit lachen.“
Sie antworteten: ,,Möge Gott sich unser erbarmen." Sagte Jesus: „So sei es."
Da fragte Philippus: „Wie kam es dazu, daß Abrahams Vater seinen Sohn verbrennen wollte?“
Jesus antwortete: ,,Eines Tages, als Abraham zwölf Jahre alt geworden war, sagte sein Vater zu ihm: ,Morgen ist das Fest aller Götter; darum werden wir zum großen Tempel gehen und meinem Gott, dem großen Baal, ein Geschenk bringen. Und du sollst für dich selbst einen Gott aussuchen, denn du bist in dem Alter, einen Gott zu haben.'
Abraham antwortete mit List: ,Gern, o mein Vater.' Und so gingen sie beizeiten des Morgens vor allen anderen zum Tempel. Aber Abraham trug unter seinem Unterkleid eine Axt versteckt. Als er nun den Tempel betreten hatte und die Menge zahlreicher wurde, versteckte sich Abraham hinter einem Götzenbild in einem dunklen Teil des Tempels. Als sein Vater ging, glaubte er, daß Abraham vor ihm heimgegangen sei, und so blieb er nicht, ihn zu suchen.


28. Kapitel

Abrahams Errettung

Als alle aus dem Tempel hinausgegangen waren, verschlossen die Priester den Tempel und gingen weg. Da nahm Abraham die Axt und schlug allen Götzenbildern die Füße ab, außer dem großen Gott Baal. Ihm legte er die Axt zu Füßen, zwischen die Trümmer der Statuen, denn diese, alt und aus Stücken zusammengesetzt, waren in Teile zerfallen.
Als Abraham daraufhin den Tempel verließ, wurde er von einigen Männern gesehen, die ihn verdächtigten, daß er gegangen sei, etwas aus dem Tempel zu stehlen. Daher faßten sie ihn, und als sie zum Tempel kamen und ihre Götter so in Stücken sahen, riefen sie voller Wehklagen aus: „Kommt schnell, ihr Männer, und laßt uns den töten, der unsere Götter getötet hat!" Es liefen um die zehntausend Männer zusammen, und mit ihnen die Priester, und sie fragten Abraham, aus welchem Grund er ihre Götter zerstört habe. Abraham antwortete: ,Ihr seid töricht! Soll denn ein Mensch Gott töten? Es ist der große Gott, der sie getötet hat. Seht ihr nicht die Axt, die zu seinen Füßen liegt? Er wünscht sich doch gewiß keine Gefährten!'
Da kam der Vater Abrahams hinzu, der sich der vielen Reden Abrahams gegen ihre Götter erinnerte und die Axt, mit der Abraham die Götzenbilder in Stücke geschlagen hatte, als die eigene wiedererkannte, und er rief aus: ,Es war mein Sohn, dieser Verräter, der unsere Götter getötet hat! Denn diese Axt gehört mir.' Und er erzählte ihnen alles, was zwischen ihm und seinem Sohn geschehen war.
Die Männer sammelten also eine große Menge Holz, und als sie Abraham an Händen und Füßen gebunden hatten, setzten sie ihn auf das Holz und machten darunter Feuer.
Doch siehe! Gott befahl dem Feuer durch Seinen Engel, daß es Abraham, Seinen Diener, nicht verbrennen sollte. Das Feuer loderte empor mit großer Kraft und verbrannte etwa zweitausend Männer von denen, die Abraham zum Tode verurteilt hatten. Abraham aber fand sich in Freiheit und wurde vom Engel Gottes in die Nähe seines Vaterhauses getragen, ohne zu sehen, wer ihn trug; und so entkam Abraham dem Tode.“


29. Kapitel

Gott spricht zu Abraham

Da sagte Philippus: „Groß ist die Gnade Gottes für den, der Ihn liebt. Sag uns, O Herr, wie Abraham zu dem Wissen von Gott kam."
Jesus antwortete: „Als Abraham in die Nähe seines Vaterhauses gekommen war, fürchtete er, in das Haus hineinzugehen; also setzte er sich in einiger Entfernung von dem Hause unter eine Palme, wo er für sich blieb und sagte: „Es muß gewiß so sein, daß es einen Gott gibt, Der mehr Leben und Macht hat als der Mensch, weil Er den Menschen erschafft, und der Mensch könnte den Menschen nicht erschaffen ohne Gott." Daraufhin schaute er umher auf Sterne, Mond und Sonne und dachte, sie seien Gott. Aber als er gesehen hatte, daß sie sich durch ihre Bewegungen verändern, sagte er: „Es muß gewiß so sein, daß Gott Sich nicht bewegt und daß die Wolken Ihn nicht verstecken, sonst würden die Menschen zunichte gemacht.' Und als er sich so im Zweifel befand, hörte er, wie sein Name gerufen wurde: ,Abraham!' Und als er sich daraufhin umwandte und weit und breit niemanden sah, sagte er: lch habe deutlich gehört, wie jemand meinen Namen rief: »Abraham!« Da hörte er, wie noch zweimal in gleicher Weise sein Name gerufen wurde: ,Abraham!'
Er antwortete: ,Wer ruft mich?'
Da hörte er jemanden sagen: ,Ich bin der Engel Gottes, Gabriel.' Da wurde Abraham von heiliger Furcht erfüllt, der Engel aber beruhigte ihn und sprach: ,Fürchte dich nicht, Abraham; du bist ja ein Freund Gottes. Denn als du die Götter der Menschen in Stücke zerschlagen hast, wurdest du erwählt vom Gott der Engel und Propheten, so daß du geschrieben stehst im Buche des Lebens."
Da sagte Abraham: ,Was muß ich tun, um dem Gott der Engel und der heiligen Propheten zu dienen?'
Der Engel antwortete: ,Geh zu jener Quelle und wasch dich, denn Gott will mit dir sprechen.'
Abraham antwortete: ,Wie soll ich mich denn waschen?' Da zeigte sich ihm der Engel als ein schöner Jüngling und wusch sich in der Quelle und sagte: ,Tue nun desgleichen auch an dir, O Abraham.' Als Abraham sich gewaschen hatte, sagte der Engel: ,Geh auf jenen Berg hinauf, denn Gott will dort mit dir sprechen.'
Abraham stieg auf den Berg hinauf, wie der Engel es ihm gesagt hatte, und nachdem er sich niedergekniet hatte, sagte er zu sich selbst: ,Wann wird der Gott der Engel zu mir sprechen?'
Er hörte, wie ihn jemand mit sanfter Stimme rief: ,Abraham!' Abraham antwortete ihm: ,Wer ruft mich?'
Die Stimme antwortete: ,Ich bin dein Gott, O Abraham.'
Voller Furcht fiel Abraham mit dem Gesicht zur Erde und sprach: ,Wie soll Dein Diener Dich anhören, der Staub und Asche ist!'
Da sagte Gott: ,Fürchte dich nicht, sondern erhebe dich, denn Ich habe dich zu Meinem Diener erwählt, und Ich will dich segnen um dich zu einem großen Volk machen. Darum geh fort vom Hause deines Vaters und deiner Verwandten und laß dich in dem Land nieder, das Ich dir und deinen Nachkommen geben werde.'
Abraham antwortete: ,Alles will ich tun, Herr, aber beschütze mich, damit kein anderer Gott mir etwas antun kann.'
Da sprach Gott und sagte: ,Ich bin Gott allein, und es gibt keinen anderen Gott als Mich. Ich zerschlage und mache heil, Ich töte und gebe Leben, Ich führe zur Hölle hinunter, und Ich bringe daraus zurück, und niemand kann meinen Händen entkommen.' Da gab ihm Gott den Bund der Beschneidung, und so erkannte unser Vater Abraham Gott.
Und als Jesus dies gesagt hatte, erhob er seine Hände und sagte: ,,Dir sei Ehre und Herrlichkeit, O Gott. So sei es!"


30. Kapitel

Das Gleichnis vom Samariter

Jesus ging nach Jerusalem um die Zeit des Laubhüttenfestes, eines Festes unseres Volkes. Die Schriftgelehrten und Pharisäer hatten davon erfahren und beschlossen, ihn in seiner Rede zu fangen.
Da kam ein Doktor zu ihm und sagte: „Herr, was muß ich tun, um ewiges Leben zu haben?“
Jesus antwortete: ,Wie steht es im Gesetz geschrieben?“ Der Versucher antwortete und sagte: „Liebe Den Herrn deinen Gott und deinen Nächsten. Du sollst deinen Gott über alles lieben, mit deinem ganzen Herzen und Geist, und deinen Nächsten wie dich selbst."
Jesus antwortete: „Du hast gut geantwortet. Geh also hin und tu dies, so sage ich dir, und du wirst ewiges Leben haben.“ Er aber fragte: „Und wer ist mein Nächster?“
Seine Augen erhebend antwortete Jesus: „Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho, einer Stadt, die unter einem Fluch wiederaufgebaut wurde. Dieser Mann wurde unterwegs von Räubern ergriffen, verwundet und entkleidet; darauf gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. Es geschah, daß ein Priester an der Stelle vorbeikam. Er sah den Verwundeten und ging weiter, ohne ihn zu grüßen. In gleicher Weise ging ein Levit vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Es geschah, daß ein Samariter vorbeikam. Er sah den Verwundeten, wurde von Mitleid bewegt und stieg von seinem Pferd, und er nahm den Verwundeten und wusch seine Wunden mit Wein und salbte sie mit Salben, dann verband er ihm seine Wunden und tröstete ihn und setzte ihn auf sein eigenes Pferd. Als er dann am Abend die Herberge erreichte, gab er ihn in die Obhut des Gastwirtes. Und als er am nächsten Morgen aufgestanden war, sagte er: ,Trage Sorge für diesen Mann, und ich werde dir alles bezahlen.' Und nach- dem er dem Kranken vier Goldstücke für die Übernachtung gegeben hatte, sagte er: ,Sei guten Mutes, denn ich werde rasch zurückkehren und dich in mein eigenes Heim führen!' Nun sage mir“, sprach Jesus, „welcher von diesen war der Nächste?“
Der Doktor antwortete: „Der, der Mitleid zeigte."
Da sagte Jesus: „Du hast richtig geantwortet; deshalb geh hin und tu du das Gleiche."
Der Doktor schied in Verwirrung.


31. Kapitel

Die Frage nach der Steuer und die Genesung des Sohnes des römischen Hauptmanns

Da kamen die Priester auf Jesus zu und sagten: „Herr, ist es gesetzlich, dem Kaiser Tribut zu zahlen?“ Jesus wandte sich an Judas und sagte: „Hast du etwas Geld?“ Und Jesus nahm einen Denar in die Hand, wandte sich den Priestern zu und sagte zu ihnen: „Dieser Denar hat ein Bild: Sagt mir, wessen Bild ist es?"
Sie antworteten: „Des Kaisers."
„Gebt also", sagte Jesus, ,,dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und was Gott gehört, das gebt Gott."
Da schieden sie in Verwirrung.
Und siehe, ein römischer Hauptmann trat vor und sagte: „Herr, mein Sohn ist krank, erbarme dich meines Alters!"
Jesus antwortete: ,,Der Herr und Gott Israels möge Sich deiner erbarmen."
Der Mann war im Weggehen begriffen, als Jesus sagte: ,,Warte auf mich, denn ich will in dein Haus kommen, um das Gebet über deinen Sohn zu sprechen.“
Der Hauptmann antwortete: „Herr, ich bin nicht würdig, daß du, ein Prophet Gottes, in mein Haus kommst; mir genügt das Wort, das du für die Heilung meines Sohnes gesprochen hast. Denn dein Gott hat dich zum Herrn über jede Krankheit gemacht, wie sein Engel es mir im Schlaf gesagt hat.“
Da verwunderte sich Jesus sehr, wandte sich der Menge zu und sagte: „Sehet diesen Fremden, denn er hat mehr Glauben als alle, die ich in Israel gefunden habe." Und er wandte sich zu dem Hauptmann und sagte: „Geh in Frieden, denn Gott hat, des großen Glaubens wegen, den Er dir gab, deinem Sohn Gesundheit gewährt.“
Der Hauptmann ging seiner Wege, und unterwegs begegnete er seinen Dienern, die ihm berichteten, wie sein Sohn geheilt worden war.
Der Mann fragte: „Zu welcher Stunde verließ ihn das Fieber?"
Sie sagten: „Gestern um die sechste Stunde wich die Hitze von ihm."
Der Mann wußte, daß sein Sohn gesund wurde, als Jesus sagte: „Der Herr und Gott Israels möge sich deiner erbarmen." Daraufhin glaubte der Mann an unseren Gott, und als er in sein Haus kam, brach er all seine eigenen Götter in Stücke und sagte: ,,Es gibt nur den Gott Israels, den wahren lebendigen Gott." Deshalb sagte er: ,,Niemand soll von meinem Brot essen, der nicht dem Gott Israels dient."

32. Kapitel

Warnung vor der Heuchelei
Über den Ursprung der Götzendienerei

Einer, der im Gesetz bewandert war, lud Jesus zum Essen ein, um ihn zu versuchen. Jesus kam mit seinen Jüngern dorthin, und viele Schriftgelehrte warteten in dem Haus auf ihn, um ihn zu versuchen. Da setzten sich die Jünger zu Tisch, ohne ihre Hände zu waschen. Die Schriftgelehrten riefen Jesus und sagten: ,,Warum achten deine Jünger nicht die Überlieferungen unserer Vorfahren, indem sie sich die Hände waschen, bevor sie Brot essen?"
Jesus antwortete: „Und ich frage euch, aus welchem Grunde habt ihr Gottes Gebot ungültig gemacht, um eure Überlieferungen zu befolgen? Ihr sagt zu den Söhnen armer Väter: ,Opfert und spendet Gaben an den Tempel.' Und sie spenden von dem wenigen, mit dem sie ihre Väter unterstützen müssen. Und wenn die Väter Geld nehmen möchten, rufen die Söhne aus: ,Dieses Geld ist Gott geweiht', wodurch die Väter leiden. O ihr falschen Schriftgelehrten, ihr Heuchler, braucht Gott dieses Geld? Gewiß nicht, denn Gott ißt nicht, wie er durch Seinen Diener David, den Propheten, sagt: ,Soll Ich denn das Fleisch der Rinder essen und das Blut der Schafe trinken? Erweist Mir das Opfer der Lobpreisung, und entbietet Mir eure Gelübde; denn würde Ich hungern, Ich würde nichts von euch erbitten, wo doch alle Dinge in Meiner Hand sind und der Überfluß des Paradieses mit Mir ist.' Heuchler! Ihr tut dies, um eure Börse zu füllen, und deshalb erhebt ihr den Zehnten von Raute und Minze. O ihr Elenden! Denn ihr zeigt anderen den wahren Weg, auf dem ihr nicht gehen wollt.
Ihr Schriftgelehrten und Doktoren legt unerträglich schwere Lasten auf die Schultern anderer, während ihr selbst nicht gewillt seid, sie auch nur mit einem Finger zu tragen. Wahrlich, ich sage euch, daß jedes Übel Eingang in die Welt gefunden hat unter Berufung auf die Vorfahren. Sagt mir, wer verschaffte dem Götzendienst Einlaß in die Welt, wenn nicht das Brauchtum der Vorfahren? Denn da war ein König, der seinen Vater über die Maßen liebte, dessen Name war Baal. Als nun der Vater gestorben war, ließ sein Sohn ein Abbild seines Vaters anfertigen, um sich zu trösten, und stellte es auf dem Marktplatz der Stadt auf. Und er erschuf einen Erlaß, daß jeder, der sich der Statue innerhalb von fünfzehn Ellen näherte, in Sicherheit sein sollte, und keinesfalls sollte ihm Schaden zugefügt werden. Daher begannen die Übeltäter, des Nutzens wegen, den sie daraus zogen, der Statue Rosen und Blumen darzubieten, und in kurzer Zeit wurden aus den Opfergaben Geld und Nahrungsmittel, so daß sie sie schließlich Gott nannten, um sie zu ehren. Aus dieser Gewohnheit wurde ein Gesetz, so daß sich das Götzenbild des Baal über die ganze Welt verbreitete. Und wie sehr beklagte Gott dies durch seinen Propheten Jesaja mit den Worten: ,Wahrhaft dient Mir dieses Volk umsonst, denn sie haben Mein Gesetz ungültig gemacht, das ihnen durch Meinen Diener Moses gegeben wurde, und folgen den Überlieferungen ihrer Vorfahren.'
Wahrlich, ich sage euch, Brot zu essen mit unreinen Händen verunreinigt den Menschen nicht; denn was in den Menschen hineingeht, verunreinigt den Menschen nicht, sondern was aus dem Menschen herauskommt, verunreinigt den Menschen."
Da sagte einer der Schriftgelehrten: ,,Wenn ich Schweinefleisch esse oder andere unreine Speisen, wird dies nicht meinen Geist verunreinigen ?"
Jesus antwortete: „Ungehorsam wird nicht hineingehen in den Menschen, sondern wird aus dem Menschen herauskommen, aus seinem Herzen; deshalb wird er verunreinigt, wenn er verbotene Speise ißt.“
Da sagte einer der Doktoren: „Herr, du hast viel gegen die Götzendienerei gesprochen, so als hätte das Volk Israel Götzen, und damit hast du uns Unrecht getan."
Jesus antwortete: ,,Ich weiß wohl, daß es in Israel heute keine Statuen aus Holz gibt, aber es gibt Statuen aus Fleisch."
Da antworteten alle Schriftgelehrten voller Zorn: „So sind wir also Götzendiener?"
Jesus antwortete: „Wahrlich, ich sage euch, das Gebot heißt nicht: ,Du sollst dienen', sondern ,Du sollst den Herrn deinen Gott mit deiner ganzen Seele lieben, und mit deinem ganzen Herzen, und mit deinem ganzen Geist. 'Ist dies wahr?“ sagte Jesus. „Es ist wahr“, antwortete ein jeder.


33. Kapitel

Warnung vor Götzendienerei

Da sagte Jesus: „Wahrlich, alles, was ein Mensch liebt. wofür er alles andere läßt, das ist sein Gott. Und so hat der Unzüchtige als Bild die Hure, der Schlemmer und der Trinker haben als Bild ihr eigenes Fleisch, und der Geizige hat als Bild Silber und Gold, und so ist es mit jedem anderen Sünder.“
Da sagte der, der ihn eingeladen hatte : „Herr, was ist die größte Sünde?“
Jesus antwortete: „Was ist der größte Schaden eines Hauses?“ Alle schwiegen, als Jesus mit dem Finger auf das Fundament zeigte und sagte: ,,Wenn das Fundament nachgibt, fällt das Haus sofort zusammen, so daß es notwendig wird, es neu aufzubauen; aber wenn die anderen Teile nachgeben, kann es repariert werden. Ebenso sage ich euch, daß Götzendienerei die größte Sünde ist, weil sie dem Menschen den Glauben raubt und damit Gott, so daß er keine geistige Liebe haben kann. Aber jede andere Sünde läßt dem Menschen die Hoffnung, Gnade zu erlangen, und darum sage ich, daß Götzendienerei die größte Sünde ist."
Alle verwunderten sich über die Rede Jesu, denn sie begriffen, daß sie in keiner Weise bezweifelt werden konnte.
Da fuhr Jesus fort: ,,Erinnert euch an das, was Gott sprach und was Moses und Josua als Gesetz niederschrieben, und ihr werdet sehen, wie schwer diese Sünde ist. Es sagte Gott. als er zu Israel sprach: ,Du sollst dir kein Bild von jenen Dingen machen, die im Himmel sind; noch von jenen Dingen, die unter dem Himmel sind, noch sollst du eines machen von jenen Dingen, die über der Erde sind, noch denen, die unter der Erde sind; und nicht von denen, die über dem Wasser sind, noch von denen, die unter Wasser sind. Denn Ich bin dein Gott, stark und eifersüchtig, Der Rache nehmen wird für diese Sünde an den Vätern und an ihren Kindern bis ins vierte Glied.' Erinnert euch, als unser Volk das Kalb gemacht hatte und es anbetete, wie Josua und der Stamm Levi auf Gottes Befehl hin das Schwert nahmen und einhundertzwanzigtausend erschlugen von jenen, die nicht die Gnade Gottes erflehten. O schreckliches Urteil Gottes über die Götzendiener!“


34. Kapitel

Von der Demut

Da stand einer vor der Tür, dessen rechte Hand so geschrumpft war, daß er sie nicht benutzen konnte. Da erhob Jesus sein Herz zu Gott und betete und sagte darauf: „Damit ihr wißt, daß meine Worte wahr sind, sage ich: ,Im Namen Gottes, Mann, strecke deine kranke Hand aus!“ Er streckte sie aus, und sie war heil, als wäre sie nie krank gewesen.
Da begannen sie zu essen in Gottesfurcht. Und als Jesus etwas gegessen hatte, sprach er von neuem: ,,Wahrlich, ich sage euch, es wäre besser, eine Stadt zu verbrennen, als eine schlechte Sitte dort zu lassen. Denn deshalb zürnt Gott den Fürsten und Königen der Erde, denen Gott das Schwert gab, um die Schlechtigkeit zu zerstören."
Dann sagte Jesus: ,,Wenn du eingeladen bist, denk daran, daß du dich nicht auf den höchsten Platz setzt, damit der Gastgeber nicht sagt, wenn ein größerer Freund des Gastgebers kommt: ,Erhebe dich und nimm einen niedrigeren Platz ein!', was dich beschämen würde. Sondern geh und nimm den niedrigsten Platz ein, damit der, der dich eingeladen hat, komme und sage: ,Steh auf, Freund, und setz dich hierher nach oben.' Denn dann wirst du große Ehre haben, denn jeder, der sich erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich erniedrigt, wird erhöht werden. Wahrlich, ich sage euch, daß Satan wegen keiner anderen Sünde als wegen seines Stolzes verdammt wurde. Ebenso sagt es der Prophet Jesaja, der ihn mit diesen Worten tadelt: ,Wie bist du doch vom Himmel gefallen, O Luzifer, der du die Schönheit der Engel warst und strahltest wie die Morgenröte; so ist denn dein Stolz zur Erde gefallen!"
Wahrlich, ich sage euch, würde ein Mensch sein Elend kennen, er würde stets weinen hier auf Erden und sich selbst niedriger einschätzen als alles andere. Aus keinem anderen Grunde weinte der erste Mann und mit ihm seine Frau, hundert Jahre lang ohne Unterlaß, und sie flehten Gott um Gnade an. Denn sie wußten wahrhaft, wohin sie durch ihren Stolz gefallen waren."
Und nachdem Jesus dies gesagt hatte, sagte er Dank; und an jenem Tag wurde in Jerusalem bekannt, welch große Dinge Jesus gesagt hatte, und auch das Wunder, das er gewirkt hatte, so daß das Volk Gott dankte und Seinen heiligen Namen segnete.
Aber die Schriftgelehrten und Priester, die erkannt hatten, daß er gegen die Überlieferungen der Vorfahren sprach, wurden von immer größerem Hass angestachelt. Und wie Pharao verhärteten sie ihr Herz; deshalb suchten sie eine Gelegenheit, ihn zu töten, fanden aber keine.


35. Kapitel

Satans Fall durch Stolz

Jesus machte sich auf aus Jerusalem und ging in die Wüste jenseits des Jordan; und seine Jünger, die um Jesus herum saßen, sagten zu ihm: ,O Herr, erzähl uns, wie Satan zu Fall kam durch Stolz; denn wir haben verstanden, daß er durch Ungehorsam zu Fall kam und weil er den Menschen stets in Versuchung führt, Böses zu tun."
Jesus antwortete: ,,Gott hatte einen Klumpen Erde erschaffen und ihn fünfundzwanzigtausend Jahre lang ruhen lassen, ohne etwas damit zu tun; Satan, der gleichsam Priester und Oberster der Engel war, wußte durch den großen Verstand, den er besaß, daß Gott von diesem Klumpen Erde einhundertvierundvierzigtausend mit dem Zeichen des Prophetentums Versehene nehmen würde sowie den Gesandten Gottes. Und die Seele dieses Gesandten hatte er sechzigtausend Jahre vor allem anderen erschaffen. Da er aber aufsässig war, stachelte er die Engel auf und sagte: „Sehet, eines Tages wird Gott wollen, daß diese Erde von uns verehrt wird. Deshalb bedenket, daß wir Geist sind, und deshalb ziemt es sich nicht, dies zu tun."
Deshalb wandten sich viele von Gott ab. Da sagte Gott eines Tages, als die Engel alle versammelt waren: ,Jeder, der Mich für seinen Herrn hält, möge sich rasch vor dieser Erde verneigen. Die, die Gott liebten, verbeugten sich; aber Satan und die, die eines Sinnes mit ihm waren, sagten: ,O Herr, wir sind Geist, und deshalb ist es nicht recht, daß wir diesem Lehm Ehrfurcht erweisen.' Als Satan dies gesagt hatte, bekam er ein scheußliches und fürchterliches Aussehen; und seine Gefolgsleute wurden schreckenerregend; denn ihrer Auflehnung wegen nahm Gott die Schönheit von ihnen, mit der Er sie ausgestattet hatte, als Er sie schuf. Und als die heiligen Engel ihr Haupt erhoben, da sahen sie, welch schreckliche Ungeheuer aus Satan und seinen Gefolgsleuten geworden waren, und in Furcht warfen sie sich mit dem Gesicht zur Erde nieder.
Da sagte Satan: ,O Herr, du hast mich ungerechterweise zum Unhold gemacht, aber ich bin hierüber zufrieden, denn ich wünsche, alles zunichte zu machen, was du tun wirst.' Und die anderen Teufel sagten: ,Nenne Ihn nicht Herr, O Luzifer, denn du bist Herr.'
Da sagte Gott zu den Gefolgsleuten Satans: ,Bereuet und erkennet Mich an als Gott, euren Schöpfer.'
Sie antworteten: ,Wir bereuen, daß wir dir jemals Ehrfurcht erwiesen haben, denn du bist nicht gerecht, aber Satan ist gerecht und unschuldig, und er ist unser Herr.'
Da sagte Gott: ,Weichet von mir, O ihr Verdammten, denn ich habe keine Gnade mit euch.'
Und beim Weggehen spuckte Satan auf jenen Klumpen Erde, und jenen Speichel hob der Engel Gabriel auf mit etwas Erde, so daß der Mensch deswegen nun den Bauchnabel hat.“


36. Kapitel

Vom Gebet

Die Jünger waren in großem Staunen über den Aufstand der Engel. Da sagte Jesus: ,,Wahrlich, ich sage euch, daß der, der nicht betet, mehr Bosheit hat als Satan und größere Qualen erleiden wird. Denn Satan kannte vor seinem Fall kein Beispiel von Furcht, noch schickte Gott ihm auch nur einen Propheten, um ihn zur Reue aufzufordern; aber der Mensch - nun, da alle Propheten gekommen sind außer dem Gesandten Gottes, der nach mir kommen wird, weil Gott es so will, auf daß ich seinen Weg bereite -, und der Mensch, sage ich, obwohl er unendlich viele Beispiele der Gerechtigkeit Gottes hat, lebt sorglos ohne jede Furcht, als gäbe es Gott nicht. Eben darüber sagte der Prophet David: ,Der Narr hat in seinem Herzen gesagt, es gibt keinen Gott. Deshalb sind sie verdorben und werden verachtenswert, und keiner von ihnen tut Gutes.'
Betet unaufhörlich, O meine Jünger, damit ihr empfangen möget. Denn wer sucht, der findet, und wer anklopft, dem wird aufgemacht, und wer bittet, der empfängt. Und sucht in eurem Gebet nicht vieles Reden, denn Gott schaut auf das Herz, wie er durch Salomon verkündete: ,0 Mein Diener, gib mir dein Herz.' Wahrlich, ich sage euch, so wahr Gott lebt: Die Heuchler beten viel in jedem Teil der Stadt, damit sie gesehen und von der Menge für Heilige gehalten werden; aber ihr Herz ist voller Bosheit, und deshalb meinen sie es nicht ehrlich mit dem, was sie erbitten. Es ist nötig, daß du dein Gebet ehrlich meinst, wenn du willst, daß Gott es annimmt. Nun saget mir, wer würde gehen, um mit dem römischen Statthalter oder mit Herodes zu sprechen, wenn er sich nicht zunächst bedenkt, zu wem er im Begriff ist zu gehen und was er tun wird? Gewiß niemand. Und wenn der Mensch dies tut, um mit einem Menschen zu sprechen, was soll der Mensch dann tun, um mit Gott zu sprechen, Ihn um Gnade zu bitten für seine Sünden und Ihm zu danken für alles, was Er ihm gegeben hat?
Wahrlich, ich sage euch, daß sehr wenige wahrhaft beten, und deshalb hat Satan Macht über sie, denn Gott will die nicht, die ihm mit ihren Lippen dienen, die im Tempel mit ihren Lippen um Gnade bitten, und ihr Herz ruft nach Gerechtigkeit. Ebenso wie er zu dem Propheten Jesaja sprach und sagte: ,Nimm dieses Volk von Mir hinweg, welches Mir ein Ärgernis ist, weil es Mich mit seinen Lippen ehrt, aber sein Herz ist fern von Mir.' Wahrlich, ich sage euch, daß der, der ohne Überlegung betet, Gott verhöhnt.
Wer würde nun zu Herodes gehen, um mit ihm zu reden, und ihm dabei den Rücken zuwenden und vor ihm Gutes reden über den Statthalter Pilatus, den er auf den Tod haßt? Gewiß niemand.
Doch nichts anderes tut derjenige, der zum Gebet geht und sich nicht vorbereitet. Er wendet sich mit dem Rücken zu Gott und mit dem Gesicht zu Satan, und von diesem spricht er Gutes. Denn in seinem Herzen ist Liebe zu der Schlechtigkeit, die er nicht bereut hat.
Wenn jemand, der dich beleidigt hat, mit den Lippen zu dir sagen würde ,Vergib mir' und dir mit der Hand einen Schlag versetzen würde, wie würdest du ihm vergeben können! Geradeso wird Gott mit denen Gnade haben, die mit ihren Lippen sagen: ,Herr, hab Gnade mit uns', und mit ihrem Herzen die Schlechtigkeit lieben und an neue Sünden denken."


37. Kapitel

Das Gebet Jesu

Die Jünger weinten bei Jesu Worten und bedrängten ihn und sagten: „Herr, lehre uns beten."
Jesus antwortete: ,,Bedenket, was ihr tun würdet, wenn der römische Statthalter euch fangen ließe, um euch zu töten, und tut dasselbe, wenn ihr zum Gebet geht. Und laßt dies eure Worte sein: ,0 Herr unser Gott, gesegnet sei Dein heiliger Name, Dein Königreich komme in uns, Dein Wille geschehe allzeit, und wie er im Himmel geschieht, so geschehe er auf Erden; gib uns das Brot für jeden Tag und vergib uns unsere Sünden, so wie wir denen vergeben, die gegen uns sündigen, und laß uns nicht in Versuchung fallen, sondern errette uns von dem Bösen, denn Du bist allein unser Gott, dem Herrlichkeit und Ehre für immer gebührt.“


38. Kapitel

Von der Kraft des Gebetes

Da erwiderte Johannes: ,,Herr, wir wollen uns waschen, wie Gott es durch Moses befahl."
Jesus sagte: „Glaubt ihr, daß ich gekommen bin, um das Gesetz und die Propheten zu zerstören? Wahrlich, ich sage euch, so wahr Gott lebt, ich bin nicht gekommen, um es zu zerstören, sondern um es einzuhalten. Denn jeder Prophet hat das Gesetz Gottes gehalten und all das, was Gott durch die anderen Propheten gesprochen hat. So wahr Gott lebt, in Dessen Gegenwart meine Seele steht, niemand, der auch nur das geringste Gebot bricht, kann Gott gefällig sein, sondern er wird der Geringste sein im Königreich Gottes, weil er daran nicht teilhaben wird. Mehr noch, ich sage euch, daß keine Silbe von Gottes Gesetz gebrochen werden kann ohne schwerste Sünde, und ihr sollt wissen, daß es nötig ist, dem zu folgen, was Gott durch den Propheten Jesaja sagte mit diesen Worten: ,Wascht euch und seid rein, nehmt eure Gedanken von meinen Augen hinweg.'
Wahrlich, ich sage euch, alle Wasser der Meere werden den nicht reinwaschen, der mit seinem Herzen die Schlechtigkeit liebt. Und weiterhin sage ich euch, daß niemand ein gottgefälliges Gebet machen wird, wenn er nicht gewaschen ist, sondern seine Seele mit Sünde belädt wie durch Götzendienst.
Glaubt mir fürwahr, wenn ein Mensch zu Gott betete, wie es sich geziemt, würde er alles erhalten, was er erbittet. Denkt doch an Moses, Gottes Diener, der mit seinem Gebet Israel züchtigte, das Rote Meer öffnete und dort Pharao und seine Heerscharen ertränkte. Denkt an Josua, der die Sonne stillstehen ließ, an Samuel, der die zahllosen Scharen der Philister mit Furcht schlug, an Elias, der das Feuer vom Himmel regnen ließ, an Elischa, der einen Toten auferweckte, und an so viele andere heilige Propheten, die durch ihr Gebet alles bekamen, was sie erhalten. Aber jene Männer suchten wahrhaft nicht ihr Eigenes in ihren Dingen, sondern suchten nur Gott und Seine Ehre."


39. Kapitel

Die Erschaffung des Menschen

Da sagte Johannes: ,,Wohl hast du gesprochen, O Herr, aber wir wissen noch nicht, wie der Mensch durch Stolz sündigte."
Jesus antwortete: ,,Als Gott Satan vertrieben und der Engel Gabriel den Erdklumpen gereinigt hatte, auf den Satan spie, da erschuf Gott alles, was lebt, sowohl die Tiere, die fliegen, als auch die, die gehen und schwimmen, und Er schmückte die Welt mit allem, was in ihr ist. Eines Tages näherte sich Satan den Toren des Paradieses, und als er die grasenden Pferde sah, verkündete er ihnen, daß es, wenn jener Klumpen Erde eine Seele bekäme, für sie schwere Arbeit geben würde; daher sei es von Vorteil für sie, auf den Erdklumpen in solcher Weise zu trampeln, daß er zu nichts mehr zu gebrauchen sein würde. Die Pferde erhoben sich und begannen, in ungestümer Weise über das Stück Erde zu laufen, das zwischen Lilien und Rosen lag. Da gab Gott jenem unreinen Stück Erde Leben, auf dem der Speichel des Satan lag, welchen Gabriel von dem Klumpen aufgehoben hatte; und er wiegelte den Hund auf, der die Pferde mit seinem Bellen erschreckte, daß sie flohen. Da gab Gott dem Menschen seine Seele, während alle heiligen Engel sangen: ,Gesegnet sei Dein heiliger Name, O Herr unser Gott."
Adam sprang auf und sah am Himmel eine Schrift, die strahlte wie die Sonne und besagte: „Es gibt nur einen Gott, und Mahomet ist der Gesandte Gottes.' Da öffnete Adam den Mund und sagte: ,Ich danke dir, O Herr mein Gott, daß Du mir die Ehre erwiesen hast, mich zu erschaffen; aber sag mir, ich bitte Dich, was bedeutet die Botschaft dieser Worte:
»Mahomet ist der Gesandte Gottes«? Hat es vor mir andere Menschen gegeben?'
Da sagte Gott: „Sei Mir willkommen, O Mein Diener Adam. Ich sage dir, daß du der erste Mensch bist, den Ich erschaffen habe. Und der, von dem du sprachst, ist dein Sohn, der viele Jahre später in die Welt kommen und Mein Gesandter sein wird, für den Ich alle Dinge erschaffen habe; der der Welt Licht geben wird, wenn er kommt; dessen Seele in himmlischen Glanz gesetzt wurde sechzigtausend Jahre, bevor ich irgend etwas machte.'
Adam bat Gott und sagte: ,Herr, erfülle mir die Bitte, dies auf die Nägel der Finger meiner Hände zu schreiben. Da gab Gott dem ersten Menschen jene Schrift auf seine Daumen; auf dem Daumennagel der rechten Hand stand geschrieben: ,Es gibt nur einen Gott!' Und auf dem Daumennagel der linken stand geschrieben: ,Mahomet ist der Gesandte Gottes.' Da küßte der erste Mensch jene Worte mit väterlicher Zuneigung und rieb seine Augen und sagte: ,Gesegnet sei der Tag, da du in die Welt kommen wirst."
Als Gott sah, daß der Mensch allein war, sagte er: ,Es ist nicht gut, daß er allein bleibe.' Deshalb ließ er Schlaf über ihn kommen und nahm eine Rippe aus der Nähe seines Herzens und füllte die Stelle mit Fleisch. Aus dieser Rippe machte er Eva und gab sie dem Adam zur Frau. Er machte sie beide zu Herren des Paradieses und sagte zu ihnen: ,Seht, Ich gebe euch jede Frucht zu essen außer Äpfeln und Getreide', und von diesen sagte er: ,Hütet euch, daß ihr auf keinen Fall von diesen Früchten eßt , denn ihr werdet dadurch unrein werden, so daß Ich nicht dulden werde, daß ihr hier bleibt, sondern euch fortjagen werde, und ihr werdet großes Elend erleiden.'

53. Kapitel

Die Zeichen des Gottesgerichtes

„Bevor jener Tag kommen wird“, sagte Jesus, „wird große Zerstörung über die Welt kommen, denn es wird einen Krieg geben so grausam und gnadenlos, das der Vater den Sohn töten und der Sohn den Vater töten wird wegen der Zwietracht unter den Menschen. Darum werden die Städte vernichtet und das Land wird verwüstet werden. Solche Seuchen werden kommen, das sich niemand finden wird, die Toten zu begraben, so das sie als Nahrung für die wilden Tiere liegenbleiben werden. Jenen, die auf der Erde bleiben, wird Gott eine solche Hungersnot schicken, das Brot einen höheren Wert haben wird als Gold, und sie werden alle Arten von unreinen Dingen essen. O erbärmliches Zeitalter, in dem man kaum einen wird sagen hören: ‚Ich habe gesündigt, hab Erbarmen mit mir, o Gott‘; sondern mit schrecklichen Stimmen werden sie den lästern, der glorreich und gesegnet ist für immer. Danach, wenn jener Tag näher kommt, wird fünfzehn Tage lang jeden Tag ein schreckliches Zeichen über die Bewohner der Erde kommen. Am ersten Tag wird die Sonne ihren Lauf am Himmel ohne Licht nehmen, schwarz wie die Farbe von Tuch; und sie wird aufstöhnen, wie ein Vater stöhnt um einen Sohn, der dem Tode nahe ist. Am zweiten Tag wird sich der Mond in Blut verwandeln, und Blut wird über die Erde kommen wie Tau. Am dritten Tag wird man sehen, wie die Sterne einander bekämpfen feindlichen Streitkräften gleich. Am vierten Tag werden die Steine und Felsen gegeneinander schmettern wie grausame Feinde. Am fünften Tag wird jede Pflanze und jedes Kraut Blut weinen. Am sechsten Tag wird sich das Meer erheben, ohne seinen Platz zu verlassen zu einer Höhe von hundertfünfzig Ellen und wird den ganzen Tag stehen wie eine Wand. Am siebten Tag wird es wiederum so tief sinken, wie man es kaum je sah. Am achten Tag werden die Vögel und die Tiere der Erde und des Wassers nahe zusammenrücken und brüllen und schreien. Am neunten Tag wird es einen so schrecklichen Hagelsturm geben, das er in solcher Weise töten wird, das kaum der zehnte Teil von allem, was lebt, entkommen wird. Am zehnten Tag wird solch schrecklicher Blitz und Donner kommen, das der dritte Teil der Berge gespalten und verbrannt werden wird. Am elften Tag wird jeder Fluss rückwärts fließen, und in ihm wird Blut statt Wasser fließen. Am zwölften Tag wird alles Erschaffene stöhnen und schreien. Am dreizehnten Tag wird der Himmel aufgerollt werden wie ein Buch, und es wird Feuer regnen, so das alles Lebende sterben wird. Am vierzehnten Tag wird es ein Erdbeben geben, so schrecklich, das die Gipfel der Berge durch die Luft fliegen werden wie Vögel, und die ganze Erde wird eben werden. Am fünfzehnten Tag werden die heiligen Engel sterben, und Gott allein wird am Leben bleiben; ihm sei Ehre und Herrlichkeit.“
Und als Jesus dies gesagt hatte, schlug er beide Hände vors Gesicht, und dann fiel er mit dem Haupt zur Erde nieder. Und als er sein Haupt erhoben hatte, sagte er: „Verflucht sei jeder, der in meine Rede hineinbringen wird, das ich der Sohn Gottes bin.“ Bei diesen Worten fielen die Jünger nie-der wie tot, da hob Jesus sie auf und sagte: „Lasst uns nun Gott fürchten, wenn wir uns nicht an jenem Tag fürchten wollen.“

Kapitel 93:

Als Jesus mit der Hand das Zeichen zum Schweigen gegeben hatte, sprach er; "Ihr seid wahrlich in großen Irrtum, o Israeliten, indem ihr mich, einen Menschen, euren Gott nennt. Und ich fürchte, dass Gott hierfür schwere Strafe über die heilige Stadt verhängt und sie unter fremde Herrschaft stellen wird. O tausendfach verfluchter Satan, der euch hierzu angestiftet hat." Und als Jesus dies gesagt hatte, schlug er beide Hände vors Gesicht, worauf ein solch lautes Wehklagen entstand, dass niemand hören konnte, was Jesus sagte. Und als er nochmals mit der Hand das Zeichen zum Schweigen gegeben hatte und das Wehklagen des Volkes sich beruhigte, sprach er von neuem: "Ich bekenne vor dem Himmel und rufe alles, was auf Erden weilt, zum Zeugen an, dass mir fremd ist alles, was ihr gesagt habt: weil ich ein Mensch bin, geboren von einer sterblichen Frau, dem Urteil Gottes unterworfen; der die Härten des Essens und Schlafens, der Kälte und Hitze erduldet wie andere Menschen. Wenn also Gott zum Gericht kommen wird, werden meine Worte einen jeden durchbohren, der glaubt, dass ich mehr sei als ein Mensch." S. 138 Kapitel 97: Da sagte Jesus: "Durch eure Worte bin ich nicht getröstet, denn wo ihr auf Licht hofft, wird Dunkelheit kommen, sondern mein Trost liegt in der Ankunft des Gesandten, der jede Falsche Meinung über mich zerstören wird, und sein Glaube wird sich verbreiten