Einleitung
Die Frage der Entsendung von
Leopard-2-Panzern in die Ukraine hat die deutsche und europäische Politik
monatelang aufgewühlt. Der Westen hatte sich kollektiv verpflichtet, die Ukraine
in ihrem Krieg mit Russland zu unterstützen. Die Ukraine sagte, sie brauche
westliche Panzer – und die in Deutschland hergestellten Leoparden waren der
Panzer, der am besten dazu passte. Die Regierung in Berlin war nicht gerade
anderer Meinung. Aber es machte sich Sorgen über eine Eskalation und die
Reaktion Moskaus, insbesondere angesichts der schwierigen Geschichte
Deutschlands mit Russland, und weigerte sich daher, zuerst zu handeln. "Wir
handeln immer gemeinsam mit unseren Verbündeten und Freunden", betonte Bundeskanzler Olaf Scholz. "Wir gehen nie
alleine."
Das Merkwürdige daran war, dass
niemand Deutschland aufforderte, allein zu handeln. Großbritannien hatte bereits
angekündigt, 14 seiner Challenger-Kampfpanzer in die Ukraine zu
schicken. Die polnische und die finnische Regierung hatten öffentlich
signalisiert, dass sie bereit seien, gemeinsam mit anderen Verbündeten
Leopard-2-Panzer zu liefern. Das Europäische Parlament hat im Oktober 2022 für
eine diesbezügliche EU-Initiative gestimmt. Die USA, Frankreich und Deutschland selbst hatten
sich bereits verpflichtet, Schützenpanzer in die Ukraine zu schicken, ein
Waffensystem, das der Laie nicht einmal von Panzern unterscheiden kann. Im
weiteren Sinne fand die Leopardenfrage in einem Kontext statt, in dem der
Westen, einschließlich Deutschlands und der USA, der Ukraine bereits
militärische Ausrüstung im Wert von mehreren zehn Milliarden Dollar zur
Verfügung gestellt hatte, von denen ein Großteil für die Russen bereits ziemlich
tödlich war.
Aber "allein" hatte für Scholz eine
ganz bestimmte Bedeutung. Er war nicht bereit, Leopard-2-Panzer in die Ukraine
zu schicken, es sei denn, die USA schickten auch ihren eigenen Kampfpanzer, den
M1 Abrams. Es reichte nicht aus, dass andere Partner Panzer schicken würden oder
dass die USA andere Waffen schicken könnten. Wie ein verängstigtes Kind in einem
Raum voller Fremder fühlte sich Deutschland allein, wenn Uncle Sam nicht seine
Hand hielt.
Im Interesse der Einheit der Verbündeten griffen die
USA schließlich ein und stimmten zu, der Ukraine 31 Abrams-Panzer zur Verfügung
zu stellen, obwohl sie oft der Meinung waren, dass die Abrams für die
Ukraine militärisch wenig sinnvoll seien. Die Bundesregierung ist nicht mehr
"allein", sondern genehmigte den Export und die Verbringung von Leoparden in die
Ukraine. Die US-Führung erlaubte dem Bündnis erneut, einen Streit zwischen den
Alliierten beizulegen. Die ganze Episode wird wahrscheinlich innerhalb weniger
Monate von allen vergessen sein, bis auf ein paar transatlantische
Verteidigungs-Wonks.
Es sollte nicht sein. Die Episode
wirft grundlegendere Fragen über das atlantische Bündnis auf als nur die Frage,
welches Waffensystem in die Ukraine geschickt werden soll. Warum glaubt der
Führer des mächtigsten Landes Europas, dass er allein und wehrlos ist, wenn er
nicht im Gleichschritt mit den USA handelt? Warum bleibt angesichts eines
Krieges auf dem europäischen Kontinent die Führung der USA notwendig, um auch
nur kleinere Streitigkeiten zwischen den Alliierten zu lösen? Vor ein paar
Jahren, fassungslos über Donald Trumps Einzug ins Weiße Haus, schienen die
Europäer bereit zu sein, die Kontrolle über ihr eigenes Schicksal von einem
abgelenkten und politisch unzuverlässigen Amerika zu übernehmen. Aber als die
nächste Krise kam, fielen sowohl die USA als auch die Regierungen Europas auf
alte Modelle der Bündnisführung zurück. Europa, wie der Hohe Vertreter der EU
für Außenpolitik, Josep Borrell, vor der russischen Invasion lautstark beklagte, sitzt nicht wirklich mit am Tisch,
wenn es um den Umgang mit der Russland-Ukraine-Krise geht. Stattdessen hat sie
einen Prozess der Vasallisierung eingeleitet.
In diesem Papier geht es um die Frage,
warum die US-Führung so kraftvoll nach Europa zurückgekehrt ist, ob sie den
Ukraine-Krieg überdauern wird und was die Rückkehr Amerikas nach Europa für die
Zukunft des transatlantischen Bündnisses und der Mitgliedstaaten der
Europäischen Union bedeutet.
Die unmittelbare Ursache war
natürlich der Einmarsch Russlands in die Ukraine. Aber die tiefere Antwort liegt
in der Struktur der transatlantischen Beziehungen und den internen Gräben
zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Aber der Krieg in der Ukraine hat weder den
grundlegenden Kurs der Außenpolitik der Vereinigten Staaten – die auf den
Pazifik ausgerichtet ist – noch ihre tiefen innenpolitischen Spaltungen darüber
verändert, ob sie weiterhin in die Verteidigung Europas investiert werden
sollen. Um langfristig zu überleben und zu gedeihen, braucht das atlantische
Bündnis noch einen europäischen Pfeiler, der sowohl militärisch fähig als auch
politisch unabhängig ist. Aber die Reaktion des Bündnisses auf den Krieg in der
Ukraine hat es viel schwieriger gemacht, diese Art von Gleichgewicht zu
erreichen. Das Papier stellt dementsprechend Ideen vor, wie europäische und
amerikanische Politiker sowohl während als auch nach dem Krieg in der Ukraine
ein ausgewogeneres und damit nachhaltigeres Bündnis aufbauen können.
Die
Amerikanisierung Europas
In einer inzwischen fernen
Vergangenheit (der Trump-Administration) sah die Zukunft des Bündnisses ganz
anders aus. Die US-Außenpolitik konzentrierte sich auf China, und Trump flirtete mit Russland und drohte, Amerikas europäische Verbündete im Stich zu
lassen. Politische Entscheidungsträger in ganz Europa begannen, über
"Souveränität" und "Autonomie" als Mechanismen zu sprechen, um ihre
Unabhängigkeit von einem zunehmend launischen amerikanischen Verbündeten zu
etablieren.
Wie immer waren die Stimmen in
Frankreich und den EU-Institutionen am stärksten, aber sie fanden auch Widerhall
in traditionell atlantischen Hochburgen wie Deutschland, den Niederlanden und
gelegentlich sogar in Osteuropa. "Die Zeiten", sagte Bundeskanzlerin Angela
Merkel 2017 auf einer Wahlkampfveranstaltung, "in denen wir uns komplett
auf andere verlassen konnten, sind ein Stück weit vorbei."
Diese breite Erkenntnis in Europa
spiegelte in erster Linie den Schock über Trumps Eskapaden und seine
Anti-Verbündeten-Rhetorik wider. Aber es drückte auch eine nüchterne Ansicht
aus, dass sich die US-Außenpolitik auch jenseits von Trumps Eigenheiten
strategisch in Richtung Asien bewegte, während die US-Innenpolitik in Richtung
Selbstbezogenheit abdriftete. Beides verhieß nichts Gutes für das amerikanische
Sicherheitsengagement in Europa.
Im Jahr 2019 bildete die neue
Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, eine neue
"geopolitische Kommission" und versprach, die EU zu einem unabhängigen Akteur in
globalen Angelegenheiten zu machen. "Meine Kommission", versprach sie bei der Vorstellung vor dem
Europäischen Parlament im Jahr 2019, "wird sich nicht scheuen, die Sprache des
Vertrauens zu sprechen. Aber es wird unser Weg sein, der europäische
Weg. Das ist die geopolitische Kommission, die
ich im Sinn habe und die Europa dringend braucht." (Hervorhebung im
Original.) Rhetorisch gesprochen hatten sich die politischen Führer in Brüssel,
Paris und Berlin der Idee angeschlossen, dass die Europäer in der Lage sein
müssten, die Reaktion auf Krisen in ihrer Region zu leiten. Aber es geschah
wenig, um diese Idee in die Tat umzusetzen.
Die umfassende russische Invasion in
der Ukraine im Februar 2022 hat diese Idee nicht nur in Frage gestellt. Es
entlarvte es als fast völlig leer. Die starke Reaktion der USA und die
Begrüßung, die diese Reaktion in der gesamten EU fand, haben das Bündnis in
seinen traditionellen Modus des Kalten Krieges zurückversetzt. Wie in so vielen
Krisen während des Kalten Krieges übernahmen die USA die Führung und steuerten
den Löwenanteil der Ressourcen bei. Von seinen europäischen Verbündeten forderte
es im Wesentlichen nur politische Zustimmung und militärische und finanzielle
Beiträge zu einer von den USA geführten Strategie. Bei den Kämpfen zwischen den
Alliierten, wie in der Leoparden-Episode, ging es um das Ausmaß dieser Beiträge.
Die strategischen Entscheidungen werden alle in Washington getroffen. Im Moment
hat keine Regierung in der EU, nicht einmal im traditionell unabhängigen
Frankreich, Einwände gegen diese Rückkehr zur traditionellen amerikanischen
Führung. Im Gegenteil, die meisten begrüßen es und versuchen sogar, sicherzustellen, dass es über den Krieg in der Ukraine
hinaus weitergeht.
Auf einer Ebene ist dies nicht
überraschend. Die Nationen Europas sind derzeit nicht in der Lage, sich selbst
zu verteidigen, und so haben sie keine andere Wahl, als sich in einer Krise auf
die USA zu verlassen. Aber diese Beobachtung wirft nur die Frage auf. Dabei
handelt es sich um wohlhabende, fortgeschrittene Nationen mit anerkannten
Sicherheitsproblemen und einem wachsenden Bewusstsein, dass die fortgesetzte
Abhängigkeit von den USA langfristige Risiken birgt. Warum also sind sie nach
wie vor so unfähig, ihre eigene Antwort auf Krisen in ihrer Nachbarschaft zu
formulieren?
Es gibt zwei grundlegende Ursachen.
Die ganze Fokussierung auf den Niedergang Amerikas gegenüber China und die
jüngsten Umwälzungen in der US-Innenpolitik haben einen wichtigen Trend im
transatlantischen Bündnis in den letzten 15 Jahren verschleiert. Seit der
Finanzkrise von 2008 sind die USA im Vergleich zu ihren europäischen Verbündeten
immer mächtiger geworden. Das transatlantische Verhältnis ist nicht
ausgewogener, sondern stärker von den USA dominiert worden. Die mangelnde
Handlungsfähigkeit der Europäer in der Russland-Ukraine-Krise ist auf dieses
wachsende Machtungleichgewicht im westlichen Bündnis zurückzuführen. Unter der
Biden-Regierung sind die USA immer bereitwilliger geworden, diesen wachsenden
Einfluss auszuüben.
The second cause is that Europeans
have failed to reach a consensus on what greater strategic sovereignty should
even look like, how to organise themselves for it, who their decision-makers
would be in a crisis, and how to distribute the costs. More profoundly, the
nations of Europe do not agree on what to do and do not trust each other enough
to reach compromises on these questions. In this context, Europeans cannot know
what they would do with greater autonomy or how they might differ from America
because they have no process or capacity to decide on their own policies.
American leadership remains necessary in Europe because Europeans remain
incapable of leading themselves.
The paper examines these factors in
turn.
Europe’s relative decline
The growing dominance of the US
within the Atlantic alliance is evident in virtually every area of national
strength. On the crudest GDP measure, the
US has dramatically outgrown the EU and the United Kingdom combined over the
last 15 years. In 2008 the EU’s economy was somewhat larger than America’s:
$16.2 trillion versus $14.7 trillion. By 2022, the US economy had grown to $25
trillion, whereas the EU and the UK together had only reached $19.8 trillion.
America’s economy is now nearly one-third bigger. It is more than 50 per cent
larger than the EU without the UK.
Of course, economic size is not
everything when it comes to power. But Europe is falling behind on most other
measures of power as well.
That growth differential has
coincided – again, contrary to predictions –
with an increase in the global use of the dollar relative to the euro. According
to the most recent Triennial Central Bank Survey from the Bank for International
Settlements, the US dollar was bought or sold in
around 88 per cent of global foreign exchange transactions in April 2022. This
share has remained stable over the past 20 years. In contrast, the euro was
bought or sold in 31 per cent of transactions, a decline from its peak of 39 per
cent in 2010. The dollar has also sustained its position as the world’s primary
reserve currency – accounting
for roughly 60 per cent of official foreign exchange reserves; the euro
accounts for only 21 per cent. The US has profited from the continuing dominance
of its currency to gain an ever expanding capacity to impose financial sanctions
on its enemies and allies alike, without really needing anyone’s cooperation.
Russia and China are fighting back against this capacity, with
some success, but Europeans have mostly accepted it.
American technological dominance over
Europe has also grown. The large US tech companies – the ‘big five’ of Alphabet
(Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook), and Microsoft – are now close
to dominating
the tech landscape in Europe as they do in the US. Europeans are trying
to use competition policy to push back against this dominance by, for
example, fining
Google nearly €2.5 billion for abusing its dominance in search engines.
But, unlike the Chinese, they have been unable to develop local alternatives –
so, these efforts seem doomed to failure. As a result, new developments such
as artificial
intelligence seem set to reinforce US technological dominance over Europe.
And the so-called “Brussels effect,” which emphasises the EU’s regulatory power,
also loses its impact when Europeans fall behind in technology.
Since 2008, Europeans have also suffered a dramatic loss of military power
when compared to the US. The uptick in European military spending after the 2014
Russian invasion of Ukraine sometimes obscures this trend. But, of course, all
power is relative: as military spending in Europe has increased substantially
less than that of the US, it has fallen further behind. Between 2008 and 2021,
US military expenditure increased from $656 billion to $801 billion. In the same
period, the military expenditure of the EU27 and the UK rose only from $303
billion to $325 billion.[1] Worse, US spending on new
defence technologies remains more than seven times that of all EU member states combined.
Of course, military spending is only
an approximate measure of military strength. But Europe’s divided approach to
such expenditure means that even these figures probably overstate European
power. Europeans barely collaborate in spending their relatively small budget –
so it remains inefficient. EU member states have fallen short of a 2017
commitment to spend at least 35 per cent of their equipment procurement
budgets in cooperation with one another. This figure stood at just 18
per cent in 2021.
Worse, these crude measures of power
actually underestimate European weakness, which is exacerbated by chronic
divisions. When the EU’s Lisbon Treaty entered into force in 2009, it seemed to
herald a new capacity for Europeans to forge a common foreign policy and harness
the latent strength of what was then the world’s largest economy. But
institutions of the Lisbon Treaty, particularly the European External Action
Service and the office that Borrell holds, have
failed to bridge internal EU differences in foreign policy.
The EU, for all its geopolitical
ambitions, remains incapable of formulating a common foreign and security
policy. Instead, the financial crisis divided north and south, the migration
crisis and the war in Ukraine divided east and west, and Brexit divided the UK
and practically everyone else. In particular, the loss of Britain, the EU’s
second largest economy and strongest military power, was a serious blow to the
EU’s prestige and capacity to exercise geopolitical influence.
For all of these reasons, US
dominance in the alliance has grown over the last decade and a half. And power
matters. The growing weight of the US in the relationship means that Europeans
feel increasingly incapable of acting and Americans feel increasingly less
interested in what Europeans think about security issues – even if this is
currently obscured by the Biden administration’s ‘No worries, we got you
covered’ policy with regard to the war.
The consequences of weakness
The Russian invasion of Ukraine in
February 2022 thus came at a moment of severe European geopolitical weakness.
Like the Obama and Trump administrations before it, the Biden administration had
strongly signalled that it intended to focus its foreign policy attention and
resources on east Asia. And in its first year, it largely succeeded at
maintaining this focus. It withdrew US forces from Afghanistan without
coordinating with its European allies and concluded “AUKUS,” a major new defence
pact and submarine deal with Australia, even at the cost of alienating
France.
But when US intelligence detected the
Russian troop build-up along the Ukrainian border in the autumn of 2021, US
policymakers quickly realised that a forceful and unified response
required American leadership. It was the US that provided intelligence on the
Kremlin’s intentions and warned about the coming invasion, often meeting
with a
sceptical European response. It is the US that has shaped most Western
sanctions on Russia, particularly the measures targeting its central bank. Of
course, without European compliance, sanctions would be less powerful. But it is
the US dollar and American control of the international financial system that
have given the sanctions their bite.
The US response has effectively
halted and even reversed the Biden administration’s stated intention to focus on
Asia. So, despite the increased tensions with China over Taiwan, the US China
Economic and Security Review Commission concluded in
November 2022 that “the diversion of existing stocks of weapons and munitions to
Ukraine … has exacerbated a sizeable backlog in the delivery of weapons already
approved for sale to Taiwan, undermining the island’s readiness.”
And so, the US has outstripped
all EU member states combined in providing military and humanitarian
assistance to Ukraine, and has also agreed to backfill many of the weapons
systems that these allies have provided to
Ukraine. In just a few months, US troop deployments in Europe increased from a
post-war historic low of around
65,000 to 100,000. At the June 2022 NATO summit, Biden announced the
US would further expand its force presence in Europe, including substantial new
forces and headquarters in Poland, Romania, and the Baltic states.
Of course, many European countries
and the EU institutions are making important contributions and providing
essential assistance to Ukraine. Germany
has provided more than €14 billion in aid to Ukraine and its Bundestag
has just approved another
€12 billion in military aid for the next few years. Poland, Estonia, and the UK
have been at the forefront of Western efforts to support Ukraine. Many countries
have taken in very large numbers of Ukrainian refugees. But overall their
efforts are much more modest in scope than that of the US. Estonian
contributions, for example, are impressive when measured as a share
of GDP. But you do not win a war on a per capita basis or by hosting
refugees. Even combined, eastern European resources are not remotely up to the
task.
But American leadership is about more
than just resources. The US has proven necessary to organise and unify the
Western response to the Russian invasion. Within the EU, there had been enormous
divisions on the question of Russia in recent years. Countries such as Poland,
Sweden, and the Baltic states deeply distrust EU members such as France,
Germany, and Italy on the issue.
Scholz and Macron believed until the
very eve of the invasion that a compromise with Russia was possible. They had
tried to put a
new spin on the Normandy format to dissuade Russia from invading
Ukraine further. On 24 February 2022, Russia’s invasion ended these efforts
abruptly. In
the eyes of most central and eastern Europeans, both the German and French
policy approaches towards Russia were discredited. Germany was therefore
initially unable to take the leading role in formulating the European response
to the war in Ukraine in the way it had after the annexation of Crimea in 2014.
Eastern EU member states this time did not perceive Berlin as an ‘honest
broker.’ They had also not forgotten Macron’s 2019 effort, taken without
consulting them, to suggest negotiating with Russia over a new European security
order.
Overall, easterners believe that the
leadership of these countries have either been corrupted by
cheap Russian gas and lucrative payouts or are hopelessly
naive about the nature of the Russian regime. “President
Macron,” taunted Polish
prime minister Mateusz Morawiecki in April 2022, “how many times have you
negotiated with Putin? What have you achieved? Would you negotiate with Hitler,
with Stalin, with Pol Pot?”
The most powerful countries in the EU
could not lead because they did not have the trust of key actors. Meanwhile, the
most consistently anti-Russian countries could not lead because, in turn, they
did not have the confidence of France and Germany. They are also small or
relatively poor and thus lack the resources. Poland is a vocally active, but its
government’s undermining of the rule of law make it divisive within the bloc. In
this sense, no autonomous European policy was possible because, without the US,
Europeans probably would not have agreed on anything at all. America was really
the only choice. As Estonian prime minister Kaja Kallas tweeted in
February 2023, “US leadership has been key in rallying unprecedented support for
Ukraine.” Indeed, it is difficult to find a policymaker or expert on either
side of the Atlantic that believes that there was any other way to organise a
unified and forceful response to Russia’s invasion.
For these reasons, members of the
transatlantic alliance are reverting to their cold war habits in which the
Americans lead while the Europeans either push from behind or simply follow.
There is little room or appetite for independent European efforts on either side
of the Atlantic, even on issues such as US-EU trade that were once considered
outside of the security realm.
Atlantic alliance dynamics after the war in
Ukraine
It is hard to imagine, but the war in
Ukraine will end some day. When it does, or perhaps even before it does,
American policymakers will likely return to their previous efforts to shift
resources to Asia. After all, the
China challenge in US foreign policy has not gone away while the West
has focused on Ukraine.
The US
National Security Strategy, published in October 2022, starkly describes
this direction, affirming that the US “will prioritize maintaining an enduring
competitive edge over the [China].” This might seem an unusual priority given
that the US is currently spending tens of billion of dollars supporting Ukraine
in war against Russia, and in the process is risking
escalation with the world’s largest nuclear power.
But the reasons are clear. As the
National Security Strategy states,
“[China] is the only competitor with both the intent to reshape the
international order and, increasingly, the economic, diplomatic, military, and
technological power to do it.” China has four times
the population of the US, its economy may soon exceed that of the US, and its
military is larger than the American military and growing more technologically
capable by the day. It is more integrated into the global economy than the
Soviet Union was or Russia ever has been. China has placed itself at the heart
of many critical supply chains that the US and its allies depend on. It has
defined itself in cultural and ideological opposition to the US and to the idea
of democracy, using its new wealth to spread the techniques of authoritarian
control to every continent on Earth.
By diverting Western attention and
resources away from the Indo-Pacific and by ensuring Russia becomes dramatically
more dependent on China, the war in Ukraine has only made addressing this
strategic challenge even harder. Indeed, a future Republican administration
would likely double down on focusing on China, as most Republican leaders have a
yet more dire view of China and yet more jaundiced view of European allies than
their Democrat counterparts do. For some influential Republican foreign policy
thinkers, the severity of the China problem means that even “if
we have to leave Europe exposed, so be it … Asia is more important than
Europe.”
But, despite this clear view coming
from Washington, the perspective in Europe on America’s future role in European
security seems entirely different. As Liana Fix of the US Council on Foreign
Relations notes,
American leadership “has been almost too successful for its own good, leaving
Europeans no incentive to develop leadership on their own.”
The Biden administration has devoted
many hours and even more air miles to engaging the Europeans and coordinating
Western responses to the outbreak of war. Partially as a result, Europeans are
very comfortable to support from the second row, even though the war is
happening in their own theatre.
Even in France, long the strongest
proponent of European autonomy from the US, has not protested about American
leadership in the current crisis. France
still seeks greater independent capability for Europe, especially in
terms of defence industrial capacity. But, as noted, France’s previous stances
on Russia mean that it has few, if any, fellow travellers left in the EU. Paris
seems to be the last of the Mohicans, while the rest of Europe has almost
completely renounced the idea of greater strategic autonomy.
The transformation in Germany is more
profound. Scholz still speaks about
the need for more European strategic sovereignty. The German government seems to
have settled comfortably into the current transatlantic division of labour. The
chancellor’s office stresses at
every available opportunity how excellent the personal relationship between
Scholz and Biden is. When it comes to military support for Ukraine, nothing is
more important to Berlin than for Washington to move in lockstep. And long gone
are the days when Martin Schulz, the Social Democratic candidate for chancellor
in 2017, railed against Germany’s NATO commitment to spend 2 per cent of its GDP
on defence, declaring that
he would “not submit to a US logic of rearmament”. The Social Democrats, who
used to be fairly critical of the US, now clearly feel comfortable enough under
Washington’s wing.
The chancellor’s February
2022 speech about
the Zeitenwende (turning point) in German policy and the
associated far-reaching announcements for German defence raised hopes in Europe
and the US that Germany might eventually emerge as a leader of European defence.
A year on, Berlin is still struggling with this idea. In supplying arms to
Ukraine, Germany has hardly even been a first mover that inspired others to
follow suit. It has waited for others to show the way.
Overall, the implementation of
the Zeitenwende has been proceeding extremely slowly when it
comes to security and defence – which is particularly striking because Germany
is advancing at lightning speed in other areas, such as the construction of
terminals for the import of liquefied natural gas. Nothing of the €100 billion
special fund announced in Scholz’s speech was spent in 2022. Worse, the special
fund will not be even close to enough to make up for decades of underfunding the
Bundeswehr. Germany
missed NATO’s 2 per cent of GDP spending target in 2022 and is not expected to
meet it in 2023 either. Overall, the government has still not provided the
necessary structural and material capability for the Bundeswehr to become an
anchor of stability for European security.
The UK, long America’s staunchest
ally in Europe, appears energised by the return of US leadership to Europe. It
has emerged as a key supporter of Ukraine and set the pace by supplying battle
tanks. It has established particularly close cooperation with Poland and the
Baltic states, as well as with Sweden and Finland, to which it has given bilateral
security guarantees. In the rest of Europe, however, the UK’s engagement is
still met with
suspicion – the wounds of Brexit cut deep. The war in Ukraine could be
an opportunity for the UK to play a new role in supporting eastern European
security in the future and even helping to settle disputes within the EU over
foreign policy. For the moment, however, far from unifying the EU, the
UK arguably
serves as an alternative partner to those northern and eastern states
within the EU that distrust the western member states.
It is these northern and eastern
states that have most profoundly changed the internal EU dynamic following
Russia’s all-out invasion of Ukraine. Poland, Sweden, the Czech Republic, and
the Baltic states have demonstrated a sort of moral leadership in European
foreign policy. They believe events have shown that their assessment of the
Russian regime was correct and that western EU states did not listen to them as
they should have. “[Western states] thought this was because of our peculiar
history: that we were hurt and we can’t forgive. But we don’t live in hurt. We
simply see them. We know how Russians act,” said
Ainars Latkovskis, chair of the defence committee in Latvia’s parliament.
They also believe that their status as frontline states gives them a unique
authority to determine Western policy toward Russia and Ukraine. “There is an
understanding,” according
to Edgars Rinkevics, Latvia’s foreign minister, “that we are the region
where NATO, by defending its territory, either succeeds or fails. This is a
life-or-death issue for NATO.” Finally, they feel vindicated in their view that
only the US can ultimately guarantee their security. Always sceptical about the
idea of strategic autonomy, they now think that this would amount to strategic
suicide. They are accordingly taking measures to encourage greater US
involvement and leadership in Europe, particularly through advocating greater
and more permanent US troops presence in eastern Europe and promoting NATO
membership for Sweden and Finland.
Overall, the new internal European
political dynamic is already structuring European defence policy for the future.
Even as Zeitenwendes in Germany and other EU states have
spurred real increases in European defence spending, the structure of that
spending means that it will actually create greater dependence on the US. In the
face of war, “defence planning continues to be done mostly in isolation” and
many European countries “regard defence cooperation as challenging, consider it
only when it coincides with national plans, and more often opt for national
solutions or non-EU suppliers”, warned the European Defence Agency’s
so-called Coordinated
Annual Review on Defence in November 2022.
The effort to create a resilient,
competitive, and innovative European defence technological and industrial base
has taken a back seat. Policymakers often see EU or transnational European
procurement programmes as too
time-consuming and complex. The focus is on quickly filling capability gaps.
The German government, for example, has decided to buy off-the-shelf, mainly
American equipment, including the F-35 and
the Chinook heavy
transport helicopter.
As part of the European Sky Shield
initiative proposed by Germany, the procurement of the Israeli Arrow 3 system
is being
considered for defence against long-range ballistic missiles. In
addition, the US Patriot system is a central component of the initiative.
Important European partners, above all France and Italy, are currently unwilling
to join Sky Shield, citing,
among other things, that the initiative has not taken into account European
alternatives in the choice of air defence systems. Poland recently decided to
buy Abrams tanks from
the US, as well as tanks
and howitzers from South Korea as it rapidly builds up its army. This
will create dependencies that will last for decades. The result is that
Europeans risk abandoning the development of a strong, competitive European
defence industry, whose expertise in strategic technologies of the future is on
a par with that of other major powers.
The vassalisation this time
The US and its European partners may
have returned to their cold war alliance habits, but of course the current
geopolitical situation is vastly different than during the cold war. Europe then
was the central front in the struggle with Soviet Union, and US strategy,
especially in the early days, hinged on rebuilding western Europe both
economically and militarily so that it could stand up to the challenge from the
east. Accordingly, the US never (or at least only rarely) used its dominant
security role for domestic economic advantage. To the contrary, the US allowed
its massive postwar trade surplus to erode and became the export market of
choice for the recovering nations of Europe. The nations of western Europe
prospered under the US security umbrella in part because it
was part of the US cold war strategy that they should.
The 21st century struggle with China looks quite different. Europe is
not the central front, and its prosperity and military strength are not central
to US strategy. The US under Biden has consciously adopted a strategic
industrial policy aimed at American reindustrialisation and technological
dominance over China. This strategy is part domestic economic policy – “a foreign policy for the middle class” that responds to
deindustrialisation at home – and part a foreign policy response to China’s success in recent
years at capturing dominant positions in strategic industries such as solar
energy and 5G. As Jake Sullivan, now Biden’s national security adviser, and
Jennifer Harris, now his senior director for international economics, noted before taking up these posts, “advocating
industrial policy … was once considered embarrassing—now it should be considered
something close to obvious. … US firms will continue to lose ground in the
competition with Chinese companies if Washington continues to rely so heavily on
private sector research and development.”
Conceptually, European allies have a
role in this geo-economic struggle with China, but it is not, as during the cold
war, to become rich and contribute to the military defence of the central front.
To the contrary, their key role from a US perspective is to support US strategic
industrial policy and to help ensure American technological dominance vis-à-vis
China. They can do so by acquiescing to US industrial policy and by
circumscribing their economic relations with China according to American
concepts of strategic technologies.
Importantly, in this new geo-economic
struggle with China, there will be no purely economic issues. The technological
and economic nature of the conflict with China means that the US can and will
securitise nearly every international dispute. In this sense, the debate in
Europe over whether to allow the Chinese equipment manufacturer Huawei into
European 5G telephone networks is a harbinger of the future integration of
security and economic issues. The US government claimed that
Huawei’s close relationship with the Chinese government meant that using its
service in such sensitive critical infrastructure presented an
unacceptable security risk. As the security provider for Europe, the US has
a unique authority to make such arguments. It is not wrong, but, as many
have noted, banning Huawei sales in Europe also creates an opportunity
for US
firms to establish greater technological dominance.
As these policies have the potential
to reduce economic growth in Europe, cause (further) deindustrialisation, or
even deny Europeans dominant positions in key industries of the future, they
might be expected to generate serious opposition throughout the EU. And to some
degree, they have. A
debate rages in the EU and the UK about whether Europeans need to
follow US policy on China or whether they can strike out on their own. The
passage in the US of new industrial policy measures such as the Inflation
Reduction Act and the CHIPS and Science Act have caused much gnashing of teeth
in Brussels and elsewhere about how Europeans can preserve their own strategic
industries. In the wake of these bills, the European Council concluded in
December 2022 that the EU needs to pursue “an ambitious European
industrial policy to make Europe’s economy fit for the green and
digital transitions and reduce strategic dependencies, particularly in the most
sensitive areas.” (Emphasis in the original.)
However, it is far from clear that
any of this debate will translate into policy measures that will affect US
foreign economic policy. Many administration officials, in various author
interviews since the beginning of the war in Ukraine, have expressed the view
that Europeans may whine and complain, but that their increasing security
dependence on the US means that they will mostly accept economic policies framed
as part of America’s global security role. This is the essence of
vassalisation.
To see this process of
auto-subservience in action, consider in more detail the European approach to
the IRA, the most significant piece of climate and industrial policy legislation
in American history. A curious thing happened on the way to passing that bill in
the Congress. Nobody considered the impact of the legislation on Europe. Despite
the potentially devastating
effect of the bill’s $369 billion in climate subsidies on European
industry, the extensive debate on the bill contained barely any mention of its
effect on America’s European allies.
Even more oddly, this lack of
attention to the bill’s negative effect on European allies extended to the
Europeans themselves. The bill’s provisions were no secret – they were only
openly debated in the Congress for a well over a year. The Canadian government
saw the danger and succeeded, through
a concerted lobbying campaign, in getting an exception from the bill’s “Buy
American” provisions. There appears to have been no similar European effort.
Nach der Verabschiedung des Gesetzes
gab es einen Aufschrei in verschiedenen Teilen Europas, insbesondere in Frankreich. Die Europäische Kommission besteht jedoch nach
wie vor darauf, dass die IRA einen wichtigen Beitrag zur
Bekämpfung des Klimawandels leistet, und hat die europäische Herausforderung der
US-Maßnahmen darauf beschränkt, die Einbeziehung europäischer Unternehmen in die
verschiedenen US-Subventionspläne zu fordern. Anstatt die USA vor der
Welthandelsorganisation frontal herauszufordern oder anderweitig
Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen, hat sich die Kommission dafür entschieden,
anzupreisen, dass die EU bereits ein grünes Subventionsprogramm betreibt, das
das der USA übertrifft, und Ausnahmen zu beantragen. "Zusammen", prahlte von der Leyen, "stellen allein die EU und die
USA fast 1 Billion Euro zur Verfügung, um die grüne Wirtschaft zu
beschleunigen." Mit anderen Worten, die EU braucht keine energische Antwort auf
die IRA – sie kann nur ihre derzeitigen grünen Subventionen erhöhen. Im Februar
schlug die Kommission einen Industrieplan für den Grünen Deal vor, der darauf
abzielt, die EU-Investitionen in grüne Technologien auszuweiten. Die
US-Regierung unterstützte diese kooperative Reaktion gelassen.
Ex-post-Koordinierung
Am Ende wird es wahrscheinlich keine
ernsthafte transatlantische Krise um die IRA geben. Vielmehr wird das Thema
wahrscheinlich dem neuen Drehbuch für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den
USA und Europa folgen, das von der Biden-Regierung festgelegt wurde und das als
"Ex-post-Koordinierung" bezeichnet werden könnte.
Die Vorlage unterscheidet sich
deutlich von der sorgfältigen Koordination, die die Reaktion auf den
Ukraine-Krieg geprägt hat. Es ist im Wesentlichen so, dass die USA handeln, ohne
ihre europäischen Verbündeten ernsthaft zu konsultieren. Es gibt eine
vorhersehbar wütende Reaktion von der anderen Seite des Atlantiks. Die
US-Regierung drückt ihre Überraschung und Besorgnis darüber aus, dass die
Verbündeten verärgert sind, und entsendet verschiedene hochrangige Gesandte in
die europäischen Hauptstädte, um die europäischen Beschwerden aufmerksam
anzuhören und sich öffentlich zu verpflichten, sich mit ihnen zu befassen. Der
Präsident verkündet dann, dass er die europäischen Bedenken gehört und
verstanden hat, dass er in dieser Phase nur eine begrenzte Menge tun kann, aber
er wird dann ein symbolisches Zugeständnis machen. Die Europäer erklären sich
zufrieden mit ihren Bemühungen, die Amerikaner dazu zu bringen, ihre Probleme
anzugehen, und alle machen mit ihrem Leben weiter. Niemand scheint zu bemerken,
dass es den USA dabei gelungen ist, fast alles zu bekommen, was sie wollen.
Diesem Muster folgten die USA während
des Abzugs aus Afghanistan und in der "AUKUS"-Debatte im Jahr 2021, als die USA
hinter dem Rücken Frankreichs einen neuen Verteidigungspakt mit Australien und
Großbritannien schlossen und ihrem ältesten Verbündeten einen lukrativen
U-Boot-Vertrag abtrotzten. Und es scheint die aufkommende Vorlage in der
Reaktion auf die IRA und den CHIPS and Science Act zu sein. Die Biden-Regierung
hat, wie Politico es ausdrückte, beschlossen, sich "dem europäischen
Druck leicht zu beugen" und den europäischen Autoherstellern einen gewissen
Zugang zu US-Steuergutschriften für saubere Fahrzeuge zu gewähren.
In einer ausgewogeneren
transatlantischen Partnerschaft hätten die USA Initiativen wie die IRA niemals
ohne Konsultation in Betracht gezogen, weil ihre Entscheidungsträger von Natur
aus wüssten, dass die Sicherung der europäischen Partnerschaft bei
geoökonomischen Initiativen sowohl notwendig als auch nicht trivial ist. Die
Europäer hätten sich in den frühen Phasen der Formulierung dieser Politiken
beteiligt, was wahrscheinlich zu vielen harten Verhandlungen geführt hätte. Aber
sie würden es vermeiden, vor vollendete
Tatsachen gestellt zu werden. Im Falle der IRA zum Beispiel hätte dies
bedeutet, dass die EU von Anfang an in ihre Gründung eingebunden gewesen wäre
und europäische Firmen Zugang zu den Subventionen und Ausnahmen von den "Buy
American"-Bestimmungen gehabt hätten.
In der jetzigen Partnerschaft
funktioniert die Ex-post-Koordinierung jedoch, weil die Europäer aufgrund ihrer
tiefen und wachsenden Sicherheitsabhängigkeit von den USA und der zunehmenden
Integration der Sicherheits- und Wirtschaftssphären viel weniger
Verhandlungsmacht haben, selbst in wirtschaftlichen Fragen.
Wie die Europäer
die transatlantischen Beziehungen wieder ins Gleichgewicht bringen können
Vasallenbildung ist keine kluge
Politik für die kommende Ära des intensiven geopolitischen Wettbewerbs – weder
für die USA noch für Europa. Das Bündnis mit den USA ist nach wie vor von
entscheidender Bedeutung für die europäische Sicherheit, aber wenn man sich beim
wesentlichsten Element der Souveränität voll und ganz auf ein abgelenktes und
nach innen gerichtetes Amerika verlässt, werden die Nationen Europas bestenfalls
geopolitisch irrelevant und schlimmstenfalls zum Spielball der Supermächte
werden. Um ihre eigenen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen schützen zu
können, die sich zuweilen von denen der USA unterscheiden werden, müssen die
Europäer ein ausgewogeneres transatlantisches Verhältnis aufbauen.
Darüber hinaus wird die
Vasallenbildung letztlich nicht dazu beitragen, dass sich die USA in Europa
engagieren. Washington hat oft und lautstark größere europäische Beiträge zu den
gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen gefordert. Auch wenn viele US-Aktionen
die Vasallisierung fördern, wissen die meisten US-Politiker nach der Erfahrung
der Autoren, dass sie einen starken europäischen Partner für den kommenden
geopolitischen Wettbewerb brauchen. Sie erkennen an, dass ein solcher Partner
unabhängiger wäre und dass diese Unabhängigkeit, auch wenn sie in bestimmten
Fragen nicht immer willkommen ist, eine funktionierende Partnerschaft viel
weniger gefährdet als die zunehmend schwächeren und irrelevanten europäischen
Partner. Letztlich wird das amerikanische Engagement in Europa nur dann Bestand
haben, wenn die USA glauben, dass sie von ihren Partnern etwas zu gewinnen
haben. Dieser Sinn erfordert eine ausgewogenere Partnerschaft, nicht eine
stärkere Vasallenbildung.
Mehr europäische Souveränität bleibt
ein wichtiges Ziel für einige Regierungen, insbesondere für die Franzosen und
für die EU-Institutionen. Aber die meisten Mitgliedstaaten wollen derzeit nicht
einmal eine unabhängigere Politik. Fast einhellig erkennen europäische Politiker
hinter vorgehaltener Hand die Risiken an, sich auf die USA zu verlassen, und
äußern ihre Befürchtung über eine Rückkehr von Trump oder seinesgleichen in die
US-Präsidentschaft. Aber gerade während des Krieges in der Ukraine fühlen sich
die meisten kollektiv unfähig zu größerer Autonomie und wollen keine politischen
oder fiskalischen Opfer bringen, um dies zu versuchen. Und auf einer tieferen
Ebene misstrauen sich viele Länder gegenseitig mehr, als dass sie befürchten,
von den USA im Stich gelassen zu werden.
Es scheint an dieser Stelle klar zu
sein, dass sich diese Sichtweise nur ändern kann, wenn die USA einen ziemlich
endgültigen Beweis dafür erbringen, dass ihnen europäische Interessen nicht am
Herzen liegen. Während seiner turbulenten Amtszeit bedeutete Trumps
undiplomatische Unverblümtheit, dass er mehr für die europäische Autonomie getan
hat als jeder andere seit Charles de Gaulle. Aber schon damals ging es nur
langsam und unruhig voran. Bidens eher gemischte Botschaft, Asien Priorität
einzuräumen und gleichzeitig die Reaktion auf einen russischen Krieg in Europa
anzuführen, ist einfach zu subtil, um schwierige europäische Entscheidungen zu
inspirieren.
Unter diesen Umständen wäre es vorerst
der beste Weg, sich gegen die Möglichkeit abzusichern, dass sich die USA
anderswo konzentrieren werden. Die Europäer können dies tun, indem sie die
Grundlagen für ein ausgewogeneres transatlantisches Verhältnis schaffen und
Vertrauen zwischen den Regierungen Europas aufbauen. Mehrere solcher
Absicherungen sind bereits möglich.
Entwickeln
Sie eine unabhängige Fähigkeit, die Ukraine in dem langen Krieg zu
unterstützen. Die Vorstellung, dass die wohlhabenden Nationen
Europas nicht die Führung bei der Bekämpfung der Aggression auf ihrem eigenen
Kontinent übernehmen können, wenn sich alle EU-Mitglieder (außer möglicherweise
Ungarn) einig sind, dass eine solche Anstrengung notwendig ist, ist ein
erschreckender Beweis für die strategische Unzulänglichkeit Europas. Der
Europäische Rat für auswärtige Beziehungen hat einen Plan zur Unterstützung der Ukraine vorgeschlagen, der
vier wesentliche Elemente enthält: langfristige Militärhilfe durch einen neuen
Sicherheitspakt; Sicherheitsgarantien im Falle verschiedener denkbarer
russischer Eskalationen; Bemühungen um wirtschaftliche Sicherheit, die
finanzielle Unterstützung bieten und den langen Wiederaufbauprozess im Rahmen
der "Partnerschaft für die Erweiterung" einleiten würden, und Maßnahmen zur
Energiesicherheit, die die Ukraine stärker in die Energieinfrastruktur der EU
integrieren würden. Die EU, ihre Mitgliedstaaten und das Vereinigte Königreich
sollten diese Maßnahmen verfolgen und zusammenarbeiten, um sie zu erreichen.
Setzen Sie
westeuropäische Streitkräfte in größerer Zahl nach Osten und bieten Sie an, in
einigen Fällen die US-Streitkräfte zu ersetzen. Unter der Oberfläche
der transatlantischen Einheit hat das erste Jahr des Krieges in der Ukraine die
Gräben innerhalb der EU vertieft, insbesondere zwischen Mittel- und Osteuropa
auf der einen Seite und Frankreich und Deutschland auf der anderen Seite.
Stolperdrahtkräfte nach dem Vorbild der US-Streitkräfte in Deutschland während
des Kalten Krieges sind notwendig, um Vertrauen zwischen West- und Osteuropa
aufzubauen. Es gibt bereits einige westeuropäische Streitkräfte in Polen und den
baltischen Staaten, aber dauerhafter stationierte und fähigere Streitkräfte, die
so konfiguriert sind, dass sie eine russische Invasion verhindern oder ihr
widerstehen können, würden mehr Vertrauen und Vertrauen schaffen.
Streben
Sie nach größeren europäischen militärischen Fähigkeiten und einer größeren
Fähigkeit zu autonomem Handeln, sowohl innerhalb als auch außerhalb der
NATO. Unabhängig von der US-Politik brauchen die Europäer größere
militärische Kapazitäten, insbesondere in einigen der wichtigsten Fähigkeiten
wie dem strategischen Lufttransport; Aufklärung, Überwachung und Aufklärung; und
präzisionsgelenkte Munition – alles Bereiche, in denen die USA dominieren. Sie
können dies sowohl innerhalb als auch außerhalb der NATO erreichen. Die Aufnahme
Schwedens und Finnlands in die NATO wird das Bündnis um bedeutende militärische
und verteidigungsindustrielle Fähigkeiten erweitern. Es könnte eine Gelegenheit
bieten, eine europäische Säule innerhalb der NATO aufzubauen, die Ressourcen
bündeln und Fähigkeiten entwickeln könnte, die die Europäer möglicherweise
benötigen, um sich selbst zu verteidigen, und die gemeinsamen
Beschaffungsbemühungen der EU ergänzen könnte. Der größte Beitrag, den die EU
zur Lastenteilung in der NATO leisten kann, besteht darin, die Mitgliedstaaten
zu verpflichten, mehr und intelligenter in ihre Verteidigungsfähigkeiten und in
innovative Technologien zu investieren. Das Hauptziel in der Zukunft sollte
daher darin bestehen, (im Rahmen der EU) gemeinsame militärische Fähigkeiten zu
beschaffen, die auch die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten der NATO
stärken können. In diesem Sinne sollte die EU zu einem Wegbereiter der
europäischen Verteidigung werden. Zu einem leistungsfähigeren und autonomeren
Europa gehört auch eine starke, innovative und wettbewerbsfähige europäische
Verteidigungsindustrie, deren Kompetenz in den strategischen Technologien der
Zukunft mit der anderer Großmächte vergleichbar ist. Langfristig werden die
Bemühungen der Europäer, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen und auf einem
viel höheren Niveau zu halten, nur dann politisch nachhaltig sein, wenn sie
Arbeitsplätze in Europa schaffen und der heimischen Industrie zugute kommen.
Schlagen
Sie vor, dass die USA, die EU und das Vereinigte Königreich eine geoökonomische
NATO bilden. Die jüngsten Debatten über 5G- und grüne
Technologiesubventionen zeigen, dass der Kampf mit China tief in die westliche
Innensphäre eindringen und Fragen versichern wird, die bisher rein
wirtschaftlicher Natur waren. In der Tat wird im Jahrhundert des Wettbewerbs
zwischen China und dem Westen der geoökonomische Bereich wahrscheinlich zur
zentralen Front werden. Die USA und die Europäer brauchen daher ein Forum, in
dem sie sich mit den geostrategischen Implikationen wirtschaftlicher Themen wie
der Industriepolitik auseinandersetzen. Eine "geoökonomische NATO" würde es den
transatlantischen Partnern ermöglichen, strategisch über geoökonomische Fragen
nachzudenken und gemeinsam über die Außenwirtschaftspolitik zu entscheiden,
anstatt dass die Europäer die Entscheidungen der USA einfach akzeptieren. Die
Absicht eines solchen Forums wäre es, eine gemeinsame strategische
Wirtschaftspolitik der USA und Europas gegenüber China zu schaffen, die sowohl
effektiver wäre als auch die Vasallenbildung verringern würde.
Schaffung
einer besonderen Verteidigungspartnerschaft zwischen der EU und dem Vereinigten
Königreich. Der Verlust des fähigsten Militärs der EU hat sowohl
die EU als auch das Vereinigte Königreich geopolitisch mehr geschwächt, als
beide zugeben wollen. Da die Bitterkeit des Brexits langsam nachlässt, müssen
diese Partner dringend eine Formel finden, um das britische Militär wieder in
die Strukturen der EU-Verteidigungszusammenarbeit zu integrieren, und zwar
durch eine maßgeschneiderte Vereinbarung, die die einzigartigen
Fähigkeiten und den Beitrag des Vereinigten Königreichs zur europäischen
Sicherheit anerkennt. Die EU muss dem Vereinigten Königreich attraktivere
"Docking-Mechanismen" anbieten, um Zugang zu EU-Institutionen und -Programmen zu
erhalten. Sie sollte ihre Partnerschaft mit London als Mittel sehen, um mehr
strategische Souveränität für die EU zu erreichen und nicht weniger. Langfristig
könnte dies sogar dazu beitragen, dass das Vereinigte Königreich wieder in die
EU eintritt, auch wenn dies derzeit noch in weiter Ferne liegt.
Denken Sie
an eine europäische nukleare Abschreckung. Der Krieg in der
Ukraine hat gezeigt, dass Atomwaffen für die Geopolitik gar nicht so irrelevant
sind, wie man es gerne hätte. Das bedeutet, dass es keine strategische
Souveränität Europas geben kann, wenn es nicht in der Lage ist, eine unabhängige
europäische nukleare Abschreckung zu entwickeln. Da Europa aus zwei Atommächten
besteht, verfügt es insgesamt über genügend Kapazitäten, um eine solche
Abschreckung zu schaffen. Dies ist derzeit noch ein Tabuthema. Aber um sich
gegen die Unzuverlässigkeit der USA abzusichern, muss zumindest darüber
diskutiert und verstanden werden, welche politischen Vereinbarungen und
Fähigkeitsentwicklungen notwendig wären, um neben der erweiterten Abschreckung
der USA eine europäische Abschreckung zu schaffen. Macron hat wiederholt
angeboten, mit seinen EU-Partnern in einen Dialog darüber zu treten. Es liegt nun an den anderen
Mitgliedstaaten, insbesondere an Deutschland, dieses Angebot anzunehmen.
Gemeinsam zielen diese Ideen darauf
ab, ein größeres Gleichgewicht im transatlantischen Bündnis zu erreichen und die
Europäer in die Lage zu versetzen, mehr Verantwortung für Sicherheit und
Stabilität in ihrer eigenen Nachbarschaft zu übernehmen. Sie sind keineswegs ein
Versuch, die Europäer von ihrem amerikanischen Verbündeten zu entkoppeln.
Vielmehr versuchen sie, die fähigeren und verantwortungsvolleren europäischen
Partner zu schaffen, die die USA in ihren kommenden Kämpfen wollen und
brauchen.
Jeder US-Präsident würde eine solche
Anstrengung im Großen und Ganzen unterstützen, auch wenn einige der Details in
Teilen Washingtons, die eine unabhängigere europäische Politik fürchten,
Bestürzung hervorrufen könnten. Selbst die undiplomatischsten und auf Asien
fokussierten US-Präsidenten haben immer den Wert fähiger, effektiver Partner in
einer gefährlichen Welt gesehen. Diese oder ähnliche europäische Anstrengungen
sind daher notwendig, um zu verhindern, dass das Bündnis zu einem System der
Vasallisierung verkommt, das im Laufe der Zeit die Europäer verärgert und die
Amerikaner verächtlich machen wird.
Über die Autoren
Jeremy Shapiro ist Forschungsdirektor beim
European Council on Foreign Relations und Non-Resident Senior Fellow an der
Brookings Institution. Von 2009 bis 2013 war er im US-Außenministerium
tätig.
Jana Puglierin ist Leiterin des Berliner
Büros und Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations. Sie
ist auch Direktorin der ECFR-Initiative Re:shape Global Europe, die darauf
abzielt, ein neues Licht auf die sich verändernde internationale Ordnung und
deren Auswirkungen auf Europas Platz in der Welt zu werfen.